Profs beharren auf illegaler Präsenzpflicht

Anwesenheit im Kurs ist an der Philosophischen Fakultät nicht Pflicht – trotzdem fallen Studierende wegen zu vieler Absenzen durch.

28. November 2013

Präsenzpflicht gab es an der Philosophischen Fakultät noch nie. Trotzdem kursieren seit der Studienreform Bologna Anwesenheitslisten. Obwohl die ZS publik gemacht hat, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, fallen weiterhin Studierende wegen Absenzen durch.

Recherchen ergaben, dass im Umgang mit Absenzen Willkür herrscht. Exemplarisch dafür stehen die Fälle von Luca und Andreas*. Beide studieren im dritten Semester Englisch und glänzten letztes Semester durch Abwesenheit. Einer musste wiederholen, der Andere nicht.

Andreas besuchte ein zweisemestriges Anglistik-Seminar der Assessmentstufe. «Gegen Ende des Semesters teilte mir mein Dozent mit, dass ich nicht mehr an die Prüfung zu kommen brauche.» Er hatte dreimal gefehlt. Sein Angebot, alles nachzuholen und eine Zusatzaufgabe zu erledigen, fand kein Gehör. Heute sitzt er wieder unter den Erstsemestrigen. «Die Grundkurse am Englischen Seminar erinnern ans Gymnasium», empört sich Andreas, «wer fleissig die Stunden absitzt, besteht.»

Auch Luca hat nur vier von sieben Sitzungen einer Anglistik-Übung besucht. Die Dozentin teilte ihm mit, er würde die Übung wegen zu vieler Absenzen nicht bestehen. Doch Luca wehrte sich. Bewaffnet mit dem ZS-Artikel zur rechtlich nicht durchsetzbaren Präsenzpflicht stellte er sich der Diskussion mit seiner Dozentin. Luca hat den Kurs schliesslich doch bestanden. Mit Bestnote.

Das Englische Seminar äussert sich zu den beiden Fällen nicht. Seminarvorsteherin Marianne Hundt erklärt bloss, was in den seit dem Frühlingssemester 2013 gültigen Richtlinien steht: «Präsenz ist nicht Bedingung, um ein Modul zu bestehen. In den interaktiven Veranstaltungen verlangten wir von den Studierenden jedoch aktives Teilnehmen.» Ab drei oder mehr verpassten Sitzungen sei diese regelmässige Teilnahme nicht mehr gewährleistet, sagt Hundt. Beschwerden seien beim Englischen Seminar bisher keine eingegangen.

Von Beschwerdemails überhäuft wird hingegen Julian Renninger, Co-Präsident des Studierendenverband VSUZH. Bereits über 20 Studierende haben sich bei ihm gemeldet, weil ihre Dozierenden nach wie vor an der Anwesenheitspflicht festhalten. «Das Problem liegt bei der Kommunikation», vermutet Renninger. Im vergangenen Semester hat das Studiendekanat die Programmverantwortlichen der In-stitute und Seminare darüber informiert, dass Anwesenheit nicht Bestandteil des Leistungsnachweises ist. Aber viele der Unterrichtenden erfuhren von der Regelung erst später oder gar nicht.

Institute und Seminare gemahnt

Nicht nur am Englischen Seminar gibt es Probleme. In einem weiteren Schreiben an alle Programmdirektionen der Philosophischen Fakultät stellte das Studiendekanat am 14. November noch einmal klar, dass es keine «generelle und unspezifizierte Anwesenheitspflicht» gibt. Laut Daniel Müller Nielaba, Studiendekan der Philosophischen Fakultät, sind Lücken in der Präsenzliste allein noch kein ausreichender Grund, um ein Modul nicht zu bestehen. Die Dozierenden dürfen allerdings noch immer Anwesenheitslisten herumreichen.

Wer wegen Abwesenheit pauschal aus dem Kurs fliegt, kann sich wehren. Studierende haben 30 Tage Zeit, um nach Erhalt des Leistungsnachweises Einsprache beim Studiendekan einzureichen. Die Chancen, Recht zu bekommen, stehen gut. Bisher gibt es aber noch keinen Präzedenzfall.

*Namen geändert.