«Die Infrastruktur ist der teuerste Bereich. Hier wäre eine Entlastung des Staates zu wünschen, sagt Antonio Loprieno.» Patrice Siegrist

«Auch der Staat mischt sich ein»

Rektorenchef Antonio Loprieno träumt von Hörsälen mit Firmenlogo. Er ist gegen eine nationale Regelung der Drittmittel.

22. Oktober 2013

Herr Loprieno, Sie haben in der Presse angekündigt, das Hörsaalsponsoring voranzutreiben. Haben sie schon einen Geldgeber?

Nein. Konkrete Offerten gibt es noch nicht. Die Infrastruktur ist aber ein Bereich der Universität, in dem die Privaten noch zu wenig involviert sind. Das müssen aber nicht zwingend Hörsäle sein. Das können auch Mikroskope sein. Da liegt noch viel Potential: In Israel oder den USA tragen die Gebäude die Namen von Sponsoren. Das ist in der Schweiz noch ausbaufähig. Die Infrastruktur ist der teuerste Bereich. Hier wäre eine Entlastung des Staates zu wünschen. In der Schweiz wollen Mäzene nicht Gebäude, sondern lieber Professuren sponsern. Ich sage: Kehren wir das um. Ein «Loprieno»-Kollegiengebäude, wenn Loprieno es finanziert.

Ist es besser, wenn Gebäude gesponsert werden, als wenn Firmen einzelne Lehrstühle direkt finanzieren?

Nein, das finde ich auch okay. Es gibt Leute, die sagen, eine Firma mische sich in die Freiheit der Lehre und Forschung ein. Doch sie sehen nicht, dass sich der Staat genauso einmischen könnte. Ob Firma oder Regierungsrat, beide stellen Geld zur Verfügung für die Freiheit von Lehre und Forschung. Das Geld fliesst aber bei beiden in ein Gesamtbudget, über das nur die Universität verfügt. Das garantiert in beiden Fällen Autonomie.

Zwischen einer privaten Firma und dem Regierungsrat gibt es doch einen beträchlichlichen Unterschied: Der Regierungsrat wird vom Volk gewählt.

Im Hinblick auf die Finanzierung von Professuren sehe ich es nicht so. Schliesslich können Sie keinen Regierungsrat einfach abwählen, wenn er sich einmal zu viel einmischt.

Es gibt verschiedene Richtlinien für Hochschulen. Warum soll es ausgerechnet für das Sponsoring keine geben?

Weil das, was wir in solche Richtlinien schreiben würden, schon der Fall ist. Es wäre wie ein Appell für den Weltfrieden. Jeder kann das unterschreiben, aber er bringt trotzdem nichts. Wir können schon die Regel aufstellen: «Der Sponsor darf sich nicht einmischen.» Aber das ist durch die Freiheit der Lehre und Forschung bereits gegeben.

Man hätte eine Richtlinie verfassen können, um Bedenken, die Freiheit der Forschung sei in Gefahr, auszuräumen.

So einfach ist das nicht. Klar wollen wir nicht, dass eine Tabakfirma Gesundheitsstudien über das Rauchen finanziert. Aber wie will man das formulieren? «Keine Firma, die Produkte herstellt, die der Gesundheit schaden, darf die Uni sponsern»? Wenn man jeden einzelnen Fall berücksichtigen will, wird das viel zu kompliziert. Will man das Sponsoring durch Stiftungen regeln, fällt auch der Nationalfonds darunter. Dann muss man dafür wieder eine Ausnahmeregelung treffen. Es gibt so viele verschiedene Formen des Gönnertums und des Sponsorings. Verallgemeinerungen sind schwierig.

Also kann man das Sponsoring nicht regeln, weil schon zu viele Sponsoren in verschiedener Form am Werk sind?

Wir müssen das kulturell regeln. Es braucht eine Praxis, die im Einzelfall richtig entscheidet. Klar gilt der Grundsatz: Es darf keine Intervention in die Forschungs- und Lehrfreiheit geben. Das ist nicht verhandelbar. Ich befürworte den Vorschlag des Bundesrates, eine Studie zum besten Umgang mit dem Sponsoring zu machen. Das bringt auch Erkenntnisse, die über die Schweiz hinausgehen.

Zur Person

Antonio Loprieno wurde 1955 in Italien geboren. Er studierte Ägyptologie, Sprachwissenschaft und Semitistik an der Universität von Turin, wo er 1977 mit dem Doktorat abschloss. Von 1989 bis 2000 dozierte er an der University of California in Los Angeles. Er ist zurzeit Präsident der Schweizerischen Rektorenkonferenz (CRUS) und Rektor der Universität Basel.