Ade Zurich Film Festival!
Hugh Jackman, Michael Haneke und Harrison Ford sind bereits abgereist und auch die Schweizer Cervelat-Prominenz musste den grünen Teppich wieder freigeben. Das einzige was vom 9. Zürich Film Festival (ZFF) zurück bleibt, sind die Erinnerungen an die gezeigten Filme.
Während elf Tagen zeigte das ZFF 122 Dokumentar- und Spielfilme. Hier eine kleine Auswahl an Entdeckungen, die man nicht so schnell vergisst.
Dokus, wohin das Goldene Auge reicht
Die Dokumentarfilme sind das Steckenpferd des ZFF. Kaum ein Film Festival räumt den Dokus so viel Platz ein wie das Zurich Film Festival. «Neuland» passt gut ins Konzept des ZFF, junge Filmemacher zu fördern. In der Kategorie Dokumentarfilmwettbewerb Deutschland, Österreich, Schweiz gewinnt «Neuland» das Goldene Auge für den besten Film. Und das zu recht. In «Neuland» begleitet die junge Regisseurin Anna Thommen eine Integrationsklasse in Basel und ihren Lehrer Herr Zingg. Die meisten Schüler sind Flüchtlinge aus einem Kriegsgebiet, die bereit sind das Leben in der Schweiz als zweite Chance zu sehen. Die Dokumentation über Identitätssuche, Integration und Neuanfänge ist nicht nur sehr berührend. «Neuland» zeigt auch, wie wichtig es ist, sich für Menschen einzusetzen und ihnen Hoffnung auf den neuen Lebensweg mitzugeben.
In der Kategorie internationaler Dokumentarfilm gewinnt «Lej en Familie». Besondere Erwähnung hat aber auch «Inequality for all» verdient. In der Doku sucht Professor Robert Reich nach Antworten auf die Frage, wieso die Einkommensgleichheit in den USA immer mehr zunimmt. Kritisch beobachtet Bill Clintons früherer Arbeitsminister wie die Topverdiener auf Kosten der Mittelschicht immer mehr Geld anhäufen. In der Form eines argumentativen Essays tischt der Professor den Zuschauern Fakten auf und macht auf die Dringlichkeit der Thematik aufmerksam. Sehr überzeugend und topaktuell!
Dunkle aber hoffnungsvolle Welten
Der deutsche «Finsterworld» räumt am diesjährigen ZFF gleich zwei Preise ab: das Goldene Auge für den besten Film im deutschsprachigen Spielfilmwettbewerb sowie den Kritikerpreis für den besten Erstlingsfilm. Die Regisseurin Frauke Finsterwalder erzählt in «Finsterworld» skurrile und doch alltägliche Geschichten. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Mann und Schweizer Schriftsteller Christian Kracht, der mit ihr das Drehbuch zum Film geschrieben hat. Zum Inhalt: Claude (Michael Maertens) besticht einen Polizisten mit Fusscrème, um einer Verkehrsbusse zu entgehen. Das reiche Ehepaar Sandberg will nicht in einer Nazi-Karre durch Deutschland fahren. Und den Schülern einer Privatschule ist während dem Besuch eines KZs nicht nach Kollektivschuld zumute. Noch Fragen? «Finsterworld» ist ein Mosaik humorvoller Dialoge und Tabus. Der Film wird nicht jedem gefallen, aber bestimmt nicht so leicht in Vergessenheit geraten.
Von den gezeigten internationalen Spielfilmen bleibt einem vor allem «Płynace wiezowce» in Erinnerung. Das polnische Drama von Tomasz Wasilewski ist keine leichte Kost. Eigentlich führt der junge Schwimmer Kuba (Mateusz Banasiuk) eine glückliche Beziehung mit seiner Freundin Sylwia (Marta Nieradkiewicz). Doch als er auf einer Vernissage Michal (Bartosz Gelner) kennenlernt, fühlt er sich sofort zu ihm hingezogen. So viel zur Ausgangslage. Doch wer jetzt ein unterhaltsames Schwulendrama im Stil von «Brokeback Mountain» erwartet, wird enttäuscht. Der Regisseur beschönigt nichts. Mit stimmungsvollen Bildern und Musik zeigt er eine nervenaufreibende Dreiecksgeschichte, die keinen Halt vor der bitteren Realität macht. «Płynace wiezowce» geht unter die Haut und lässt einem so schnell nicht mehr los.
Wie geht's weiter?
Die preisekrönten Dokumentar- und Spielfilme werden neben 20'000 Franken in bar auch mit 60'000 Franken für die Promotion des Filmes im Schweizer Kino dotiert. Damit sind zumindest «Neuland» und «Finsterworld» bald in den Schweizer Kinos zu sehen.