Der letzte Liz-Lümmel
Der letzte Lizlümmel — Abgesang
Abgesang — Ich sitze hinter dir. Trotzdem bin ich dir aufgefallen: Ich kam eine Viertelstunde zu spät zur Vorlesung. Als ich mein Studium begann, war das üblich. «Hora Academica» hiess das. Elitär war die Uni Zürich schon, als noch geraucht wurde im Lichthof.
Auf der Präsenzliste habe ich meinen Namen mit Kugelschreiber eingetragen. Es ist meine Art, Module zu buchen. Bei der Anzahl Semester schummle ich jeweils ein bisschen. Am letzten Montag begann mein sechzehntes. Trotzdem habe ich noch keinen einzigen Kreditpunkt. Wenn ich einen Kurs bestanden habe, schreiben es die Dozierenden auf eine blaue Karte. Die Fächerkombination steht dort mit Bleistift, denn Fächer wechsle ich nicht am Computer, sondern mit dem Radiergummi.
Neulich hielt mich die Sicherheitsfrau am Eingang zum Unisport ASVZ auf. Meine Legi sei zu verbleicht, das Ablaufdatum kaum noch lesbar. Die Dame fragte freundlich, ob ich denn noch lange studiere. Sie wollte wissen, ob es sich noch lohnt, eine neue Legi zu bestellen. «Nein», sagte ich. Das war gelogen. Denn ich studiere aus Leidenschaft und nicht aus Leistungsdruck und für Kaffeepausen statt für Kreditpunkte. 2015 ist damit Schluss. Dann wird auch der letzte Liz-Lümmel abschliessen – oder wird abgeschossen.
Das Lizenziat stirbt. Bis es soweit ist, erzähl ich euch hier, wie es sich ohne ECTS-Punkte, dafür in einem aussterbenden Studiengang studiert, und kommentiere die Uniwelt aus dieser Sicht.