FV Ökonomie und Interessengemeinschaft Irchel erreichen je 20 Prozent der Stimmen. Die kritische Politik kommt auf 17 Prozent. VSUZH(

Revolution im Studierendenparlament

Standort- und Fachvertretende setzen sich in der ersten Wahl in den Rat des VSUZH durch. Die Linke verliert unerwartet ihre Dominanz. Die Wahlbeteiligung lag bei 12 Prozent.

30. April 2013

Mit diesem Wahlresultat hat niemand gerechnet. Die Gewinner vom Fachverein Ökonomie haben nicht genug Kandidaten um ihren Sitzgewinn abzudecken. Die zweitplatzierte Interessengemeinschaft Irchel befürchtete im Vorfeld, dass das Wahlverfahren sie benachteiligt. Die Verlierer der kritischen Politik (kriPo) rechneten fieberhaft das Wahlresultat nach und glaubten an einen Fehler. Auf Twitter und Facebook herrschte Aufregung und die Büro des Studierendenrats (StuRa) erntete Kritik.

Doch nun ist klar: Der Fachverein Ökonomie (FV Oec) und die Interessengemeinschaft Irchel (IGI) sind definitiv die grossen Gewinner der Wahl ins Parlament des erstmals wieder rechtlich eigenständigen Studierendenverbandes VSUZH. Sie vereinen je 20 Prozent der Stimmen auf sich. (FV Oec: 20,07; IGI: 20,06) und erhalten je 14 Sitze zugesprochen. Der FV Oec hatte aber nur 13 Kandierende aufgestellt.

Politischer Aufbruch der Naturwissenschaftler

Die Wahl entscheidend beeinflusst haben ausgerechnet die Studierenden der Mathematisch- naturwissenschaftlichen Fakultät (MNF). Erst seit 2011 können diese Studierenden überhaupt wieder wählen, da erstmals seit langem mehr Kandidierende antraten, als Sitze zu vergeben sind. Das ist der Interessengemeinschaft Irchel (IGI) zu verdanken, die sich kurz vor der Wahl 2011 gegründet hatte und seither die Angehörigen der MNF mobilisiert.

Auch der Fachverein Ökonomie konnte seine Wähler an die elektronische Urne mobilisieren. Im Rat fielen sie wenig auf, konnten aber dank ausgebauter Dienstleistungen an ihrer eigenen Fakultät punkten. Im Wahlkampf fielen sie durch Präsenz rund um die öffentlichen Wahlstellen des StuRa im Lichthof auf.

Der vom FV Oec nicht besetzte Sitz kommt der Gruppe move zugute, welche fortan mit zwei Sitzen vertreten ist.

Von 25 833 Wahlberechtigten nutzten nur 3138 ihr Stimmrecht. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 12.15 Prozent. Das sind rund vier Prozentpunkte weniger als bei der Wahl von 2011, doch immer noch deutlich mehr als zu Zeiten des rechtlich unfreien StuRa.

Eine Ohrfeige für die studentische Linke

Die Sieger der Wahl in Studierendenparlament vertreten ihr Fach oder ihren Unistandort. Auch die Interessengemeinschaft Oerlikon (IGOR) hat auf Anhieb zehn Sitze gewonnen.

Die einzige Gesamtuniversitäre Organisation mit grösseren Wahlchancen ist die linke Gruppe kritische Politik (kriPo). Sie war bisher die stärkste Fraktion, geht nun aber als klare Verliererin aus dem Rennen. Sie machte 17.14 Prozent der Stimmen, muss vier Sitze abgeben und ist nur noch mit 13 Sitzen im Rat vertreten.

Vor der Wahl zeigte sich die kriPo siegessicher. Sie ging mit der längsten Liste ins Rennen und mit dem Ziel, die absolute Mehrheit im Parlament zu übernehmen. In der Wahlkampfphase setzte sie auf polarisierende Vorstösse im Rat. Ihr Antrag, eine Flüchtlingsschule zu unterstützen, führte zu einem Eklat im Parlament.

Doch die Taktik ging nicht auf. Statt ihrer eigenen Wähler mobilisierte dieser Kurs vor allem ihre Gegner. So ging die Interessengemeinschaft Irchel auf ihrem Campus durch die Hörsäle und warnte die Studierenden vor der kriPo, die das Studium der Biologen einschränken würde, wenn ihr Antrag gegen Gentechversuche durchkäme. Das hat offenbar funktioniert.

Nicht funktioniert hat die Mobilisierung der traditionellen Wählerschaft der kriPo. Die Wahlbeteiligung an der philosophischen Fakultät dürfte tiefer als in den letzten Jahren ausgefallen sein. Zahlen werden dazu nicht erhoben, da die Wahlen gesamtuniversitär und geheim sind. Gerächt hat sich auch die Vernachlässigung anderer Standorte. So fand keine der zahlreichen Veranstaltungen der kriPo der letzten Wochen am Irchel oder in Oerlikon statt

Die Fraktion kriPo erhält einen zusätzlichen Sitz, dank einer Kandidatur an der Theologischen Fakultät. Da die Fakultäten laut Wahlreglement mit mindestens drei Sitzen vertreten sein müssen, wird der Rat um entsprechende Sitze vergrössert. Statt der vorgesehen 70 Ratssitze, gibt es nun deren 75. Da nur zwei Studierende der Veterinärmedizin kandidierten, bleibt einer vakant.

Der pragmatische Realo-Flügel der Linken, die Gruppe Skalp, hat noch stärker verloren als die kriPo. Sie kann nur noch drei Sitze von ursprünglich acht halten.

Die ursprünglich aus dem Fachverein Philosophie hervorgegangene, heute aber fachübergreifende Gruppe filo, der auch das aktuelle Copräsidium angehört, kam auf 10 Sitze und 13,13 Prozent der Stimmen. Sie machte im Wahlkampf mit Gesang im Lichthof auf sich aufmerksam.

Mikrowellen statt Politik

Die Politik im Rat dürfte künftig von wechselnden Koalitionen geprägt sein. Wer ein Anliegen durchbringen will, muss in allen Fraktionen um Stimmen kämpfen. Mit einer allgemeinen Blockade ist trotzdem nicht zu rechnen. Die grossen Gruppen vertreten Fach- und Standortinteressen, die sich nur selten mit den Interessen anderer Studierender schneiden. Sowohl der IGI als auch dem FV Oec geht es vor allem um bessere Infrastruktur und Dienstleistungen für die Studierenden. Dafür ist auch eine kriPo zu haben.

In politischen Fragen hingegen sind sich die Interessengemeinschaften und Fachvereine oft nicht einmal innerhalb der Gruppe einig. Das Anliegen der Rastslinken, mit dem VSUZH auch über die Uni hinaus Politik zu betreiben, dürfte es deshalb in Zukunft schwer haben. Dafür wird der Ruf nach längeren Bibliotheksöffnungszeiten und Mikrowellen lauter.