Jobs zum Greifen nah: Studentinnen betrachten an den Career Days eine Vitrine des L'Oréal-Standes. Theo Zierock

Keine Karriere an den Career Days

Über 20 Firmen buhlen jährlich im Lichthof der Uni Zürich um die schlausten Köpfe. Phil-I-Studis passen selten in ihr Beuteschema.

26. April 2013

Gelangweilt wendet die Recruiterin den Blick von mir ab. Nein, sie brauche keinen Geisteswissenschaftler. Seufzend mustert die Mitarbeiterin der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Besucher der Jobmesse. Ihre Geste lässt mich wissen: Ich bin hier überflüssig. Etwas ratlos stehe ich mitten im Lichthof der Uni Zürich zwischen fett gedruckten Firmenlogos und herausgeputzten Standbetreibern. Auf Plakaten stehen Slogans wie «A lifetime of opportunities» oder «Where skills join thrills». Willkommen an den

Career Days.

Die Organisation AIESEC ist Veranstalterin der Jobmesse. Sie ist die grösste internationale Studierendenvereinigung der Welt und ist in 113 Ländern präsent. Das Hauptziel von AIESEC ist die «Ausschöpfung des Potentials unserer Gesellschaft», wie auf ihrer Webseite zu lesen ist. Die Career Days sind somit die Grundlage für diese Ausschöpfung von Humankapital.

«Wir brauchen keine Phil-1er»

Zwischen mir und der Recruiterin am Stand der SNB herrscht eine unangenehme Stille. Das spürt auch mein Gegenüber. Um der Situation ein Ende zu machen, fügt sie unmissverständlich an: «Wir brauchen keine Geisteswissenschaftler, das ist einfach so!» Klare Ansage. «A lifetime of opportunities» sieht anders aus. Nach meiner Abfuhr bei der SNB strande ich am Stand einer Consulting-Firma und verstehe erst mal gar nichts. Mit zahllosen Anglizismen wirbt die Recruiterin eifrig für ihr Unternehmen und sagt abschliessend: «Die Juniors sollen gleich Hands-on-Course sein, um ihre Skills anzuwenden.» I see! Doch ob so ein Junior auch ein Germanist sein kann? «Ein Germaniker? Ui, da bin ich überfragt. So was ist mir noch nie untergekommen.» Trotzdem drückt sie mir zum Schluss eine Info-Mappe und einen Chupa Chups in die Hand.

Die Career Days finden in der Schweiz seit den 1970er Jahren statt und sollen alle Studierenden ansprechen. Das Ziel sei, bei den Unternehmen einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Dazu gibt es auf der Webseite Anleitungen, wie man sich zu verhalten und zu kleiden hat.

Alles ziemlich sexy

Vor allem Letzteres scheinen sich die Besucher der Messe zu Herzen genommen zu haben. Um mich herum füllt sich der Lichthof mit apart gekleideten Menschen. Am Stand von L’Oréal stehen vier propere Burschen mit Segelschuhen und Hemden von Hollister und flirten mit einer Angestellten des Unternehmens. Daneben interessiert sich eine Studentin im sexy Cocktailkleid mit Ray-Ban-Hornbrille und Dutt für die Praktikumsangebote bei Deloitte. Ihr gegenüber steht ein sportlich aussehender Recruiter mit nach hinten gegelter Frisur und gibt mit charmantem Lächeln Auskunft. Ziemlich schick und ziemlich sexy ist das alles. Ob mein Germanistikstudium bei den Schweizer Grossbanken ähnlich attraktiv ist wie das Äussere der Messebesucher, bezweifle ich. Trotzdem frage ich am Stand der UBS nach, ob es dort für einen Geisteswissenschaftler etwas zu holen gibt. Die Antwort überrascht mich. «Wir suchen querbeet», heisst es da.

Auch bei der CS klingt es ähnlich: «Bei uns können sich Studierende aus allen Fächern bewerben. Das Gesamtpaket muss stimmen.» Doch bei meiner Frage, welche Stellen für mich denn konkret in Frage kämen, kommen die Bankangestellten ins Grübeln. Im Personalwesen oder im Marketing finde sich vielleicht etwas Passendes. Allerdings gebe es dort nur wenige Stellen.

Die «personality» muss «matchen»

Ich verlasse die Grossbanken und gehe zum Stand von Apple. Hier trägt die Recruiterin keinen Anzug, sondern ein schwarzes T-Shirt mit einem weissen Apfel drauf. Auch die Umgangsform ist anders. Ich werde penetrant geduzt. Kann ich vielleicht hier mit meinem Germanistikstudium punkten? «Bei uns kommt es eigentlich nicht darauf an, was du studierst. Du musst aber bereit sein, an dir selbst zu arbeiten», sagt die Apple-Mitarbeiterin.

Ihre Firma bietet ein zweijähriges Praktikum an, bei dem man nichts Anderes tut, als im Apple-Store zum Praktikumslohn iPads zu verkaufen. Ich möchte wissen, ob danach wenigstens die Chance auf eine Festanstellung besteht. «Grundsätzlich ja», antwortet die Recruiterin. Das hänge jedoch davon ab, inwieweit ich mich im Sinne von Apple entwickle. Wichtig sei nämlich, dass meine «personality» mit der Philosophie des Unternehmens «zusammenmatche». Das matcht mir gar nicht. Ich verlasse den Stand.

Gesponserte Masterarbeit

Kurz vor dem Ausgang bleibe ich beim Tisch der Schweizer Eidgenossenschaft stehen. Dort gibt es gute Nachrichten. Der Bund sucht in allen Departementen Geisteswissenschaftler. Vor allem in der Kommunikation und im Kulturbereich sind sie gefragt, wie auf einem Flyer zu lesen ist. Während ich die Auslage der Broschüren betrachte, spricht mich eine Frau an. Sie sei von Ueli Maurers Militärdepartement und biete ganz tolle Praktika an. Mein verhaltenes Interesse hindert sie nicht daran, feurig für ihr Anliegen zu werben. Hier würden nämlich gar nicht alle in Uniform herumlaufen, wie viele denken. «Ein militärischer Rang ist nicht Pflicht. Wir stellen auch Zivilisten ein. Hier ist alles ganz normal», betont sie.

Erneut versuche ich ihr klarzumachen, dass ich kein Interesse daran habe, für ein Departement zu arbeiten, das ich als Untauglicher unfreiwillig subventioniere. Doch sie lässt nicht locker und bietet sogar an, mir die Masterarbeit zu finanzieren. Vorausgesetzt, ich wähle ein Thema, das für ihren Arbeitgeber von Interesse sei. Wie beispielsweise eine Untersuchung von Sprachregelungen im Militär. Auf meine Lüge, es mir mit der Masterarbeit zu überlegen, schenkt sie mir einen Handyputzer mit Schweizerkreuz drauf. Erst dann lässt sie mich ziehen.