Selbst der erfolgreiche Schweizer Film «Verdingbub» hatte Mühe, Subventionen zu erhalten.

Mittelmass reicht nicht

Schweizer Filme gibt es nur dank Kulturförderung. Damit sie auch jemand sehen will, braucht es mehr Einsatz, neue Strukturen und bessere Drehbücher.

22. März 2013

Beim Staat um Förderbeiträge zu ersuchen, muss sich anfühlen, wie beim König um milde Gaben zu bitten, gehört aber zum Alltag der Filmschaffenden. Wegen der hohen Produktionskosten werden heute fast alle Filme staatlich finanziert.

Die Kommissionsentscheide werden oft als willkürlich kritisiert. Regisseur Markus Imboden kennt es: Bei der einen Stelle abblitzen und bei der nächsten für dasselbe Projekt einen Zuschuss erhalten. Sogar für seinen Film «Verdingbub», dem am besten besuchten Schweizer Film im letzten Jahr, hatte er zunächst Mühe, die nötigen Fördergelder aufzutreiben. Wer als Regisseur arbeiten will, braucht Durchhaltewillen. Um innovative Projekte realisieren zu können, müsse man zudem oft einfach Glück haben, denn «die Schweizer Filmindustrie ist konservativ», so Imboden.

Wenig Zuschauer – woran liegt es?

Fünf von hundert Kinogängern schauen hierzulande Schweizer Filme. Im europäischen Vergleich ist das sehr wenig. Dänemark, das in Sachen Film oft mit der Schweiz verglichen wird, hatte 2010 einen Heimmarktanteil von 22 Prozent. Zielt die Schweizer Filmförderung am Publikum vorbei und begünstigt Projekte, die das Publikum nicht sehen will? Oder liegt das Problem bei den Filmschaffenden? Bernhard Lehner, Leiter des Bachelorstudiengangs Film an der ZHdK, war sechs Jahre in der Zürcher Filmförderkommission.

Oft hört er den Vorwurf, dass sich Kommissionen stets auf eine gut schweizerische Kompromisslösung einigen würden, die letztlich Mittelmass befördere. Er bestreitet dies: «Filme mit Ecken und Kanten werden genauso gefördert.» Das Problem liege eher bei der mangelnden Qualität der eingereichten Projekte: «Viele junge Leute verlieren auf dem Weg zur Professionalisierung ihre Kraft und ihren Eigensinn.»

Künstler riskieren zu wenig

Dass nicht nur Förderstellen, sondern auch Künstler wenig riskieren und massvollen Durchschnitt produzieren, finden auch die Jung-Regisseurinnen der ZHdK (siehe S. 26) – für sie ein Antrieb, präzise und starke Filme zu machen und eigene Strukturen zu entwickeln. «Das heutige Fördersystem wurde nicht für die aktuell heranwachsende Filmszene konzipiert», sagt Lehner. Bis in die 1960er Jahre wurden Filme grösstenteils privat finanziert, zum Teil über Vorschusszahlungen durch Kinos, die sich so an einheimischen Produktionen beteiligten. Die Generation des Autorenfilms etablierte in den 1970er Jahren eine auf sie zugeschnittene staatliche Filmförderung. Bis heute hat sich an diesem System nicht viel verändert, obwohl Filme heute eher in Kooperationen zwischen verschiedenen Autoren und Regisseuren entstehen.

«Die jungen Filmschaffenden müssen die Strukturen entsprechend anpassen», sagt Lehner. Eine mögliche Alternative könnte eine Filmwerkstatt sein, an deren Konzeption die Jungfilmerin Maria Sigrist zusammen mit anderen Kunstschaffenden arbeitet. Mit wenig Mitteln und Bürokratie könnte man im «Labor» in selbst definierten Produktionsstrukturen arbeiten.