Abstimmung darüber, ob abgestimmt werden darf. Der StuRa diskutierte am Mittwochabend über einen umstrittenen Antrag der Kripo.

Eklat im Studi-Parlament

Die grösste Fraktion des Studierendenrats (StuRa) liess am Mittwochabend die Sitzung platzen. Sie fühlt sich vom StuRa-Büro hintergangen, weil ihr Antrag zur Unterstützung der Autonomen Schule nicht traktandiert wurde.

28. Februar 2013

Der VSUZH ist noch nicht gegründet, da hat er schon seinen ersten Skandal. Die Sitzung des Studierendenrats (StuRa) vom Mittwochabend wurde gestern gesprengt, weil die grösste Fraktion des Parlaments (Kritische Politik, KriPo) den Raum nach einer Stunde verliess: aus Protest. Sie fühlte sich vom StuRa-Büro und von der Geschäftsprüfungskommission hintergangen. Diese argumentierten, den neuen Verband schützen zu wollen.

Grund für die Aufregung war ein Anliegen der KriPo, die Autonome Schule, ein Bildungsprojekt für Migranten, zu unterstützen. Der StuRa, beziehungsweise dessen Nachfolgeorganisation der Verband der Studierenden (VSUZH), solle eine Petition der Autonomen Schule bewerben und diese per Solidaritätsschreiben und Medienmitteilung unterstützen. Zudem solle die Zürcher Studierendenschaft der Autonomen Schule helfen, einen Raum zu finden. Das Projekt, das vor allem Deutschkurse für Flüchtlinge anbietet, sucht zur Zeit nach einem neuen Standort. Das Schulhaus, eine Baracke auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs, wird abgerissen.

Antrag nicht traktandiert

Das StuRa-Büro beschloss im Vorfeld der Sitzung, den Antrag der KriPo nicht zu traktandieren. Er widerspreche der allgemeinen Geschäftsordnung, weil das Anliegen nichts mit der Uni zu tun habe. Der StuRa dürfe sich nicht zu allgemeinpolitischen Themen äussern und auch der neue Verband VSUZH sei dazu nicht befugt, sagte StuRa-Kopräsident Tobias Hensel vor der Sitzung gegenüber ZS-Online. Tobias äusserte auch Bedenken, dass die im Entstehen begriffene verfasste Studierendenschaft VSUZH durch den Kantonsrat wieder abgeschafft werden könne, wenn sie ihre Kompetenzen überschreite.

Die KriPo-Fraktion fühlte sich brüskiert und protestierte. Auf ihrer Webseite veröffentlichte die linksgerichtete studentische Gruppe eine Stellungnahme. Die Autonome Schule sei «sehr wohl ein bildungspolitisches Thema». Wer das Glück habe, «eine gute Bildung zu geniessen», stehe auch in der Verantwortung gegenüber denen, «die dieses Privileg nicht haben», argumentiert die KriPo weiter.

Davon liess sich das StuRa-Büro nicht überzeugen und traktandierte den Antrag definitiv nicht. Deshalb stellte die KriPo während der StuRa-Sitzung Mittwochabend den Antrag, ihr Anliegen als sogenannte «Tischvorlage» doch noch in die Traktandenliste aufzunehmen. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im Saal sind auch zwei Aktivisten der Autonomen Schule: Ein Deutschschüler aus Somalia und ein Unterstützer des Projektes beobachten die Diskussion.

«Wie in Nordkorea»

Zu Beginn entschuldigt sich Ko-Präsidentin Oriana Schällibaum für das Vorgehen des Büros. Den Antrag nicht zu traktandieren, sei zwar richtig gewesen, die Geschäftsprüfungskommission (GPK) hätte aber darüber befinden müssen.

GPK-Mitglied Robin Ernst erklärt den Antrag darauf als nicht konform mit den Reglementen. Das Anliegen der KriPo sei weder hochschulpolitisch, noch betreffe es die Interessen der Studierenden.

Dem widerspricht die KriPo-Fraktion vehement. Fraktionspräsident Gabriel Meier bestreitet, dass es eine rechtliche Grundlage gibt, den Antrag zu verhindern. Sein Kollege Florian Sieber zeigt sich schockiert darüber, dass aus Angst um den neuen Verband ein politisches Thema nicht einmal diskutiert werde: «Das erinnter mich an Nordkorea.»

GPKler Ernst vergleicht darauf den Antrag der KriPo mit dem fiktiven Anliegen als Sudierendenrat die SVP zu unterstützen. Beides sei dem Rat untersagt. «Dieses Thema gehört in den Gemeinderat und nicht in den StuRa», so Ernst.

Hernani Marques, Mitglied der KriPo und des StuRa-Büro, entgegnet, dass nach dieser Logik auch die Nachhaltigkeitswoche für illegal erklärt werden müsse, welche der VSUZH in der nächsten Woche veranstaltet.

Erste geheime Abstimmung seit Jahren

Schliesslich stimmt der Rat über den Antrag ab, das ASZ-Traktandum doch noch zu behandeln. Ko-Präsident Tobias verlangt eine geheime Abstimmung: ein Novum in der jüngeren Geschichte des Rats.

Dann ist ausgezählt: um eine einzige Stimme verpasst die KriPo die notwendige Zweidrittelmehrheit!

Darauf überschlagen sich die Ereignisse. KriPo-Mitglied Hernani kündigt seinen Rücktritt aus dem StuRa-Büro an. Der Fraktionsvorsitzende Gabriel fordert alle Ja-Stimmer auf, die Sitzung zu verlassen. Die Besucher von der ASZ sowie die KriPo-Fraktion (bis auf eine Person) folgen dem Diktum.

Im Ratssaal herrscht Verwirrung, es scheint, als wäre der Rat ohne die KriPo nicht mehr beschlussfähig. Annuscha Wassmann rast durch die beinahe unbevölkerte Uni auf der Suche nach Spontanvertretungen für Abwesende der anderen Fraktionen und wird sogar fündig. Doch alles nützt nichts. Beinahe eine Stunde nach dem Eklat wird trotzdem die definitive Beschlussunfähigkeit festgestellt und die Sitzung vorzeitig beendet.

KriPo prüft rechtliche und politsche Schritte

Den Vorstandsmitgliedern steht die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben. Einige mögen sich nicht äussern. Hernani gibt sich zynisch: «Wir haben uns dagegen entschieden, Solidarität zu zeigen. Super!».

Kopräsidentin Oriana erklärt das Verhalten des StuRa-Büros im Vorfeld: «Es war kein politischer, sondern ein formaler Entscheid, gestützt auf die allgemeine Geschäftsordnung. Darin waren sich der Vorstand und die GPK einig».

Tobias ergänzt, es habe Bedenken gegeben, mit der ASZ-Unterstützung einen Präzedenzfall zu schaffen. «Wenn wir solche Themen zulassen, stimmt der Rat am Ende auch noch über seine Haltung zur Armeeabschaffung ab.»

Genau solche Einmischungen in Politikfelder, die nichts mit der Hochschule zu tun haben, haben einst der alten Studierendenschaft SUZ den Garaus gemacht. Jetzt, wo der VSUZH wiedereingeführt wird, will das Präsidium sich nicht an heiklen Themen die Finger verbrennen.

Dafür hat KriPo-Fraktionspräsident Meier wenig Verständis: «Ich diskutiere gerne darüber, ob unser Anliegen sinnvoll ist oder nicht. Aber es kann nicht sein, dass nur schon die Diskussion darüber verhindert wird.» Er geht davon aus, dass der Antrag – ordentlich traktandiert – durchgekommen wäre. Meier kündigt an, alle politischen und rechtlichen Mittel auszuschöpfen, um den Antrag doch noch diskutieren zu können. «Wir wurden daran gehindert, unsere Rechte als gewählte Studierendenvertreter auszuüben und das geht nicht», sagt er.

Ein demokratischer Akt gelang am Mittwochabend dennoch: Der Rat bestimmte seine Delegierten für den Senat. Sie können den Rektor wählen. Ihm ist zu wünschen, dass sein Wahl ruhiger verläuft als die letzte StuRa-Sitzung.