Markus holte sich hilfe bei der Psychologischen Beratungsstelle an der Plattenstrasse. Hanna Stoll

Am Leistungsdruck beinahe zerbrochen

Markus erfüllte seine eigenen Erwartungen nicht mehr und stürzte in eine Depression. Dank professioneller Hilfe fing er sich wieder auf.

19. Februar 2013

Konkrete Selbstmordgedanken hatte er nie. «Aber diffuse Ideen sind nichts Abwegiges, sondern einfach die logische Schlussfolgerung, wenn man in einem Tief steckt.» Markus* spricht mit bemerkenswerter Offenheit über die bisher schwierigste Zeit in seinem Maschinenbaustudium an der ETH. Er wählt seine Worte mit Bedacht, und seine Stimme bleibt ruhig. Der gross gewachsene Student streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht und erzählt.

Markus fiel bei den Basisprüfungen durch. Er konnte sich nicht mehr zum Lernen aufraffen, verkroch sich in seiner Wohnung, stürzte in eine Krise: «Ich entsprach nicht mehr meiner Vorstellung von einem guten Studenten. Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben», erinnert er sich. Er verfiel in depressive Verstimmungen. Nach einigen Wochen hatten diese ein besorgniserregendes Ausmass erreicht, sogar alltägliche Aktivitäten wie Wäsche waschen wurden zu grossen Herausforderungen für ihn. Kurz vor einer Prüfungssession reiste seine Familie aus Deutschland an und drängte ihn, Hilfe zu suchen. Sein Zustand war zu labil für die kommenden Prüfungen. Deshalb «musste alles ziemlich schnell gehen». Gleich am nächsten Tag traf er sich mit Ulrich Frischknecht, dem Leiter der Psychologischen Beratungsstelle.

Mentaler Teufelskreis

Markus' Fall sei repräsentativ, sagt Frischknecht, ursprünglich Metallbauschlosser. Er sitzt in seinem geräumigen Büro und schaut aufmerksam durch seine Hornbrille. Häufig seien es perfektionistische Studierende mit hohen Ansprüchen an die eigenen Leistungen, die erkranken. Auch Studierende, welche Arbeiten jeweils auf den letzten Drücker bewältigen, seien gefährdet. Markus ist einer der 950 Studierenden, die sich jährlich neu bei der Beratungsstelle melden. Viele von ihnen warten mit einer Therapie, bis sie am Rande der Verzweiflung stehen. Sie warten zu lange. Denn bei Krisen gilt die Devise: Je früher sie angepackt werden, desto einfacher sind sie zu lösen.

Markus setzte alles daran, ein guter Student zu sein. Er beschäftigte sich exzessiv mit diesem Gedanken. Sein ganzes Scheitern oder Bestehen hängte er an diesem einzelnen Aspekt auf. Krisen entstehen häufig auf diese Weise. Die Studierenden geraten in einen Teufelskreis, in dem sich alles um den immer gleichen Gedanken dreht. Aus diesem ewigen Kreis kommt nur heraus, wer es schafft, ihn zu durchbrechen. Markus versuchte es mit viel Sport und Computerspielen. So wollte er auf andere Gedanken kommen. Ablenkung sei die bewährteste Strategie, um die Übersicht und Kreativität zurückzugewinnen, sagt Frischknecht. Denn gerade daran fehle es in Überforderungssituationen. Doch wenn alle Kräfte zur Selbsthilfe erschöpft sind und trotzdem keine Ablenkung eintritt, sollte man sich an eine Beratungsstelle wenden. Mit dem Team um Frischknecht Kontakt aufzunehmen, ist nicht schwierig, zumindest organisatorisch gesehen. Die Studierenden melden sich via E-Mail oder Telefon für einen Termin bei einem der fünf Psychologen an. In vier von zehn Fällen wird wie bei Markus eine längerfristige Therapie bei externen Psychologen oder Psychiatern empfohlen. Die Mehrheit der Studierenden wird jedoch nach etwa drei oder vier Gesprächen wieder entlassen.