Alceste will nicht zu den anderen gehören. Matthias Horn

Mehr komisch als tragisch

Barbara Frey inszeniert am Schauspielhaus Molières «Menschenfeind» auf eine durchaus unterhaltsame Weise. Die Besetzung der Rollen und das Stück versprechen mehr, als die Inszenierung hält. Amüsant ist sie, mehr aber auch nicht.

31. Januar 2013

Der Menschenfeind braucht sich nicht vorzustellen. Gleich im ersten Gespräch wird klar, wer er ist und wie er denkt: «Was ist? Was haben Sie?», fragt Philinthe (Thomas Loibl). «Lassen sie mich allein!», herrscht ihn Alceste (Michael Maertens) an. – «Müssen Sie denn immer gleich so unfreundlich sein?» – «Sie sollen mich in Ruhe lassen, Herr! Sie stören!» – «Sollte man, bevor man sich erregt, die andern nicht erst hören?» – «Ich reg mich aber auf und hören will ich nicht.»

So geht das über das ganze Stück hinweg. Alceste ärgert sich mit lautem Geschrei über alles. Über Menschen, die überfreundlich sind. Über Menschen, die Lästern. Über schlechte Dichter. Ja, er ärgert sich gar über die einzige Frau, die er liebt: Die schöne und reiche Célimène (Yvon Jansen), die von allen Männern umworben wird und es geniesst; sich auf keinen Mann festlegen will, weil sie die anderen dann verlieren würde.

Es sind pubertäre Gefühle, die Alceste antreiben. Der Wille anders zu sein, als die anderen. Ihnen gegenüber Empathie zu zeigen oder ihnen gar Recht zu geben, kommt für Alceste nicht in Frage. So zu sein wie andere, dagegen sträubt sich in ihm alles und am Ende des Stücks scheint es gar, als hasse sich Alceste selbst dafür.

Und dennoch empfindet man Sympathie für ihn oder zumindest Verständnis. Zu anbiedernd sind Acaste (Siggi Schwientek) und Clitandre (Christian Baumbach), welche die schöne Célimène umwerben. Zu wenig Kanten haben Philinthe und Eliante (Olivia Grigolli) und zu falsch Arsinoé (Gottfried Breitfuss). Amüsant und genial gespielt ist zwar der Dichter Orante (Matthias Bundschuh), aber seine reime sind zu plump, als dass man sich mit ihm identifizieren können. Unter diesen Figuren erscheint Alceste, der Choleriker, ehrlich und direkt. Er ist der einzige, der sich nicht zwingt, vernünftig zu sein und das auch offen zugibt: «Menschen gelten als vernünftige Wesen – wer das behauptet, ist niemals Mensch gewesen.»

Unterhaltsam, aber nicht begeisternd

Barbara Freys Inszenierung von Molières «Menschenfeind» (1666) unterhält, begeistert aber nicht. Das liegt keineswegs an der soliden bis genialen Leistung der Darsteller. Im Stück bleibt bloss vieles zu wenig deutlich. Am besten versinnbildlicht dies das Bühnenbild (Bettina Meyer). Die Komödie spielt eigentlich im Salon der Célimène, der blumig eingerichtete Jungendstilraum erinnert aber eher an eine Hotellobby. Auf den Tischen stehen Nummernschilder, zum WC weist ein Schild an der Wand und grün leuchten Notausgangschilder. So ist es mehr verwirrend den inspirierend. Der eigentlich subtil vermittelte Humor wird gebrochen durch unnötige Slapstickeinlagen, wenn etwa der gebückte Diener (Samuel Braun) jedes Mal beim Verlassen des Salons seinen Kopf anstösst.

Molières Stücke leben von einer bitterbösen Tragikomik – diese blitzt zu selten auf, um wirklich zu begeistern.

Wann: 1., 7., 8., 10., 13., 18., 19. Februar und 4. März 2013.

Wo: Schauspielhaus Zürich