«Nein, aber» war die Parole des VSETH. Damit gewinnt man keinen Interessenkonflikt, findet ZS-Redaktor Pascal Ritter. VSETH

Wer nicht kämpft, zahlt doppelt

12. Dezember 2012

Die Gebühren für ETH-Studierende werden verdoppelt. Das liegt auch an einer falschen Strategie ihres Verbandes. Mit «Nein, aber» gewinnt man keinen Interessenskonflikt. Ein Kommentar.

Die ETH erhöht die Studiengebühren um 100 Prozent. Am Donnerstag (6. Dezember) kommunizierte der ETH-Rat den definitiven Beschluss. Fortan zahlen die Studierenden der ETH Zürich und der EPF Lausanne also um 1200 statt wie bisher 580 Franken pro Semester. Der Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) «bedauert» den Entscheid. Am Vortag der Entscheidung rief er zur Kundgebung. Mit zugeklebtem Mund hielten Studierende eine Schweigeminute ab.

Am Problem vorbei

Auf diese Weise machten die Studierendenvertreter auf die fehlende Mitsprache aufmerksam. Damit zielten sie am Problem vorbei. Denn es fehlt nicht an Mitsprache, es fehlt an Mitbestimmung. Gespräche gab es im Vorfeld des Entscheids viele. Monatelang sondierten die Leitungen der beiden ETH-Standorte die Stimmung unter den Studierenden. Der VSETH befragte die Studierenden, was eine Studiengebührenerhöhung für sie bedeuten würde und wo die finanzielle Schmerzgrenze liege. Das Resultat: Knapp die Hälfte der Studierenden wird die nun vollzogene Gebührenerhöhung in finanzielle Schwierigkeiten bringen.

Die Ergebnisse wurden vom ETH-Rat zur Kenntnis genommen. Genutzt hat es herzlich wenig. Die Erhöhung wurde um keinen Rappen reduziert. Die Mitsprache hingegen, soll ausgebaut werden. Der ETH-Rat erteilt den beiden ETHs die Weisung die «Studiengebührenerhöhung im Dialog mit den Studierendenverbänden umzusetzen». Die Studierenden sollen «noch stärker» in die Ausarbeitung involviert werden. Das klingt zwar gut, heisst aber nichts Konkretes in Hinsicht auf die abfedernden Massnahmen, welche der VSETH gefordert hatte.

«Nein, aber» ist nicht genug

Die Erhöhung der Studiengebühren ist auch eine Niederlage für die Politik der offiziellen Studierendenverbände der ETH. Statt die Erhöhung offensiv und radikal zu bekämpfen, haben sie sich von Anfang an von der ETH-Leitung einspannen lassen. Statt einem klaren «Njet» zu einer Studiengebührenerhöhung sagten sie: «Nein, aber». Damit meinten sie, dass die Diskussion sich um das mangelhafte Stipendiensystem und nicht um die Gebühren an sich drehen sollte.

Natürlich haben sie damit in der Sache Recht. Die sozialen Ungleichheiten die im Schweizer Bildungssystem zu einer krassen Chancenungleichheit führen, können nur mit einem effektiven Stipendiensystem bekämpft werden. Die Stipendieninitiative des Dachverbands der Studierendenschaften VSS, die auch vom VSETH unterstützt wird, ist da ein Schritt in die richtige Richtung.

Der Fehler des VSETH ist aber, so zu tun, als wäre diese schon so gut wie umgesetzt und man müsse mit einer Gebührenerhöhung nur warten, bis die Stipendien da sind.

Die Aufgabe eines Studierendenvebandes ist es die Interessen der Studierenden – auch der zukünftigen – zu verteidigen. Da kann die Antwort auf eine Gebührenverdoppelung nur ein klares, absolutes Nein sein. Zugegeben: Angesichts der praktisch inexistenten Mitbestimmung der Studierenden in dieser Frage konnte höchstens ein Kompromiss erwartet werden. Schon vor Beginn der Verhandlungen Kompromissbereitschaft zu signalisieren, schwächt aber die eigene Position enorm.

Zum Vergleich: In Deutschland drohten Studierendenvertreter mit Gebührenboykott, blockierten Parlamente und ganze Innenstädte, als verschiedene Bundesländer Gebühren einführten. An der Uni Zürich waren Erhöhungspläne mit ein Grund für die wochenlange Besetzung des grössten Hörsaals im Herbst 2009. In den meisten Bundesländern ist die Gebühr schliesslich wieder abgeschafft. An der Uni Zürich kam es nur zu einer moderaten Erhöhung.

Der VSETH organisierte dagegen ein Podium, bei dem vor allem ETH-Rektor Lino Guzzella und ETH-Präsident Ralph Eichle für die Erhöhung werben durften. Einen profilierten Gegner der Erhöhung suchte man vergeblich. Rahel Zoller, die Präsidentin des VSETH, sprach sich nicht grundsätzlich gegen die Erhöhung aus und kritisierte nur den Zeitpunkt: Bevor kein effektives Stipendiensystem eingeführt ist, sei sie dagegen.

Unbegründete Angst vor Radikalität

Zum schwammigen «Nein, aber» treibt den VSETH die Angst, als «radikal» abgestempelt zu werden. Anders kann die hastige Distanzierung des Verbands von der Studierendengruppe ResACTe, welche symbolisch die Sitzung des ETH-Rats stürmte, nicht verstanden werden. Vorschnell taten sie die Aktivisten – unter ihnen eigene Mitglieder – als «Krawallmacher» ab. Im Gegensatz zu ResACTe setze der VSETH «auf einen konstruktiven, faktenbasierten und respektvollen Dialog mit allen Beteiligten», schrieb der Verband. So sprechen Bundesräte und nicht Interessensvertreter.

Dabei ist die Angst vor der klaren Positionierung völlig unbegründet. Der Dachverband VSS, in dem der VSETH Mitglied ist, setzt sich seit Jahren nicht nur gegen Gebührenerhöhungen ein, sondern fordert ein Gratisstudium. So muss Interessenvertretung aussehen.

In Zukunft sollte der VSETH versuchen seine Basis effektiver zu mobilisieren. Dazu sollten auch die demonstrationsfreudigen Gymnasiasten gehören, die künftig die Gebühren tragen müssen. Und statt Kompromissbereitschaft sollte er Entschlossenheit signalisieren.