KOL-G-201. Der Protzige im Hauptgebäude. Stefania Telesca

ZS testet: Hörsäle

Welcher Hörsaal ist der beste? Wir haben fünf grosse Hörsäle getestet.

Ach, die Hörsäle. Freund oder Feind? Nach wilden Nächten bieten sie Studierenden einen Schlafplatz, um auszunüchtern. Es ergeben sich Flirtmöglichkeiten, es gibt gratis WLAN und, in dieser Jahreszeit nicht unwichtig, ein Dach über dem Kopf.

Die Hauptfunktion des Hörsaals ist es aber, Platz für Bildung zu schaffen. Das heisst konkret: Der Grund, überhaupt in einem Hörsaal zu sitzen, ist nicht, hübsche Sitznachbarn aufzuspüren, sondern den lehrreichen Worten der Professorin oder des Professors zu lauschen. Und da nicht alle Studiengänge bereits schon Podcasts anbieten, müssen sich Studierende wohl oder übel in die Hörsäle zwängen.

Die ZS hat die am häufigsten genutzten Hörsäle getestet. Die Kriterien waren das Design des Raums, die Auffindbarkeit des Hörsals (Brauch ich die Hilfe des Informationsstandes, um den Hörsaal zu finden?), der Komfort des Mobiliars (Wie gut lässt es sich ausschlafen?) und die Grösse der Arbeitsfläche (Haben iPhone, Laptop, Kaffeetasse, Wasserflasche, Arbeitsbuch, Etui und Notizblatt Platz?). Der letzte Punkt, auf welchen wir besonders achteten, waren die Pausenmöglichkeiten. Hier waren Fragen wichtig wie: Wie sind die Fluchtmöglichkeiten? Wo kriegt man die nächste Koffein- oder Nikotindosis? Oder wo wartet das nächste Gipfeli?

Platz 1: KOH-B-10, der Avantgardistische im Hauptgebäude

Der wohl bekannteste Hörsaal der Uni Zürich zeichnet sich hauptsächlich durch sein modernes Erscheinungsbild aus. Die knallgrünen Tischreihen und orangeroten Wände heben sich punkto Design gänzlich vom Rest des Hauptgebäudes ab. Andere Hörsäle wirken im Vergleich dazu bieder und fantasielos. Grosszügige Neonbeleuchtung macht das fehlende Tageslicht wett. Die durchgehend grelle Farbkombination täuscht darüber hinweg, dass es sich um einen unterirdischen Bunker handelt.

Die Mensa und der Lichthof sind in unmittelbarer Nähe: perfekt für die Pausenverpflegung. Ein kleines Manko weist der Hörsaal dennoch auf. Wegen der unterirdischen Lage streikt die Mobiltelefonverbindung. Da bleibt den Studierenden gar nichts anderes übrig, als der Vorlesung zu folgen.

Platz 2: Y24-G-45, die Arena am Irchel

Direkt aus dem Lichthof des Irchels tritt man in die obersten Reihen des modernen Amphitheaters ein. Wer die Show von nahem erleben möchte, steigt einen der nach unten führenden Zwischengänge hinab und nimmt an einem Zweiertisch in der Tiefe des Raums Platz. Verglichen mit den engen Klappstuhlreihen anderer Hörsäle bieten die Sitze hier selbst für Langbeiner ausreichend Freiheiten. Dank der vielen Gänge können die Studierenden im riesigen, fensterlosen Raum auch einwandfrei zirkulieren. Die Luft kann das leider weniger gut.

Immerhin reicht die Pausenzeit problemlos aus, um auswärtig Sauerstoff oder Nikotin zu tanken. Die Beschaffung einer Dosis Koffein, am nahegelegenen Automaten, ist mit Schlangestehen verbunden. Die Fortsetzung des Spektakels verpasst man deswegen aber nur selten.

Platz 3: HAH-E-3, der Elegante am Häldeliweg

Den grössten Hörsaal am Häldeliweg besuchen vor allem Wirtschaftsstudis. Erster Eindruck: kühle Eleganz. Die eher unscheinbare Innenausstattung ist weitläufig in hellem Holz gehalten, wobei die Wandgestaltung besonders ins Auge sticht. Eine Holztapete in dreidimensionalem Design stiftet eine vornehm-modern anmutende Atmosphäre.

Der Gebäudekomplex am Häldeliweg dient den Studierenden oft nur als Durchgangsstation. Der Standort ist praktisch ausgestattet und lädt nicht unbedingt zum Verweilen ein. Die Verpflegungsmöglichkeiten halten sich in Grenzen. Die Raucher dürfen sich jedoch an der Terrasse beim Eingangsbereich erfreuen. Sind die Vorlesungen vorbei, ziehen die Studierenden meist rasch wieder ab, um andernorts ihrem Tagesprogramm nachzugehen.

Platz 4: KOL-G-201, der Protzige im Hauptgebäude

Die Aula wurde als Paradehörsaal konzipiert und ist mit farbigem Marmor ausstaffiert. Die Professoren lehren von der Kanzel aus. Die Studierenden sitzen in leicht gepolsterten Stuhlreihen. Längere Aufsätze zu notieren, fällt auf den grossflächigen Armlehnen schwer. Die Leinwand für die Präsentation hängt vor einem riesigen Wandgemälde Hodlers.

An Sommertagen ist vom ruhigen Platz im hinteren Bereich des Saals abzuraten. Da kann die Lektion nicht nur blendend, sondern auch schweisstreibend sein. Ein grosser Pluspunkt der Aula ist, dass sich peinlich Verspätete eine Ebene höher in die seitlichen Balkone schleichen können, ohne die Vorlesung zu stören. Von da aus ist die Sicht auf die Präsentation zwar schlecht. Umso besser lassen sich Mitstudierenden beobachten.

Platz 5: KOL-H-312, die Werkstatt im Hauptgebäude

Der Raum mit dem programmatischen Namen «Werkstatthörsaal» befindet sich im obersten Stockwerk des Hauptgebäudes. Wer hier ankommt, ist wegen des Aufstiegs meist reparaturbedürftig. Dafür empfangen kühle, weisse Wände die Studierenden. Die Dachschräge drückt den Raum zusammen. Ansonsten ist der Saal metallig ausgestattet. Dafür bieten die grossen Fenster in der Dachschräge viel Tageslicht und werten den Raum auf. Die Stühle stehen frei zu den Tischen, was eine gewisse Beinfreiheit zulässt. Die Tische erlauben ein grosszügiges Ausbreiten der Materialien.

Was die Pausen angeht, sind die Toiletten gleich um die Ecke. Drängt es einen aber an die frische Luft oder zum Kiosk, sollte man sich dies zweimal überlegen. Denn der Weg nach unten ist verdammt lang.