Neue Profs sollen frischen Wind in das Kunsthistorische Institut bringen. Hannah Raschle

Umbruch am Kunsthistorischen Institut

Drei vakante Lehrstühle, schlecht betreute Arbeiten und Studierende, die das Institut verlassen. Eine neue Studienordnung verspricht Besserung.

19. November 2012

Dem Kunsthistorischen Institut (Khist) fehlen die Professoren. Die Lehrstühle Mittelalterarchäologie, Mittelalter und Zeitgenössische Kunst sind vakant, die Studierenden verärgert über die Situation. Eliza wechselte deshalb vor einem Semester von der Uni Zürich an die Uni Basel. Auch Hannah vom Fachverein des Khist will dorthin. Sie bemängelt zudem die Betreuung ihrer Bachelorleistungen. Im Bereich der Zeitgenössischen Kunst werden die Seminare mit bis zu 80 Studierenden besetzt. Seminararbeiten müssen gerade mal vier Seiten umfassen. Hannahs Fachvereinskollegin Simone teilt diesen Eindruck: «Ich hab mich ja selber schon gefragt, ob Zürich die richtige Wahl war.»

Corinne, die schwerpunktmässig im Zeitbereich Mittelalter und Neuzeit studiert hat, ist anderer Meinung. Sie sei stets gut betreut und gefördert worden. Bei ihr würden die Professoren zudem die Teilnehmerzahlen in den Seminaren beschränken. Sie räumt aber ein, dass die Betreuung für die Erstsemestrigen schlechter geworden sei. Das Einführungsmodul, in dem die Arbeitstechniken, wissenschaftliches Schreiben und Recherchieren vermittelt werden, wurde vor einigen Jahren abgeschafft.

Massenstudium oder Elitenbildung?

Über die Ursachen für die mangelnde Betreuung und die überfrachteten Module ist man sich am Institut einig: Zeitgenössische Kunst und das neue Fach Theorie und Geschichte der Fotografie generieren einen wachsenden Zulauf, insbesondere von Nebenfachstudierenden. 1300 Personen studieren mittlerweile am Khist. Ordentliche Professoren gibt es nur drei, davon ist eine zurzeit in einem Forschungssemester.

Uneinigkeit herrscht aber bei der Beurteilung der Situation. Wolfgang Kersten, Titularprofessor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte und seit über 20 Jahren als Oberassistent am Institut, sieht keine Probleme im Betreuen eines 80-köpfigen Seminars. «Zürich ist eine Massenuniversität. Nicht alle Studierenden erwarten eine intensive Betreuung. Diejenigen, die eine nachhaltige Betreuung wünschen, erhalten diese selbstverständlich», sagt Kersten. Einer Beschränkung der Teilnehmerzahlen in den Seminaren kann er nichts abgewinnen. Er sieht darin «eine Art versteckten Numerus Clausus». Ein solcher sei am Khist nicht vorgesehen. Anders sieht dies der Leiter des Instituts, Tristan Weddigen. Unter seiner Leitung hat das Institut bestimmt, die Teilnehmerzahl auf 28 Studierende zu beschränken. Zudem befürwortet er vehement die Einführung des ab Herbst 2013 als Pflichtveranstaltung vorgesehenen Einführungsmoduls mit anschliessender grosser Prüfung – offiziell kein Numerus Clausus, doch die Studierendenzahl wird sich dadurch wohl verringern.

Endlose Verfahren

Die Gründe für die Vakanzen liegen gemäss Weddigen nur teilweise beim Institut. Die Berufungsverfahren der Uni dauern sehr lange – sie umfassen acht Verfahrensstufen und die Prüfung von 60 bis 120 Bewerbern durch eine fachübergreifende Kommission. Schliesslich folgt die Prüfung eines Dreiervorschlags durch die Fakultät, die Unileitung und den Unirat. Dass die Verfahren aber wie im Falle des Khist mehrfach durchlaufen werden müssen, ist nicht so vorgesehen. Die Wahl für die Mittelalter- und die Mittelalterarchäologieprofessur wurde wegen kommissionsinternen Meinungsverschiedenheiten von der Unileitung abgelehnt. Die anfängliche Doppelkommission wurde gespalten und die Verfahren für beide Lehrstühle separat noch einmal durchgeführt. Auch die Besetzung des Lehrstuhls für Zeitgenössische Kunstgeschichte verzögerte sich, weil die Kommission sich nicht richtig einigen konnte.

Obgleich Tristan Weddigen seit seiner Anstellung als Professor vor drei Jahren in zehn Kommissionen war und – genau wie sein Kollege Kersten – zugibt, mit den administrativen Aufgaben am Anschlag zu sein, glaubt er, die aufwändigen Verfahren seien nötig, um die Qualität der Universität zu sichern.

Überlastete Studierende

Die Umstellung zum Bologna-System und die Wechsel am Institut bringen aber nicht nur die Professoren, sondern auch die Studierenden an ihre Belastungsgrenzen, sagt der Institutsleiter. Wer das Studium seriös betreibt, macht alles andere als ein «Schoggi»-Studium. Es sei manchmal schwer, TutorInnen zu finden, weil die engagierten Studierenden oft keine Kapazitäten hätten. Dies soll sich aber mit der neuen Studienordnung, die im nächsten Jahr in Kraft tritt, ändern. Kunstgeschichte wird fortan nur noch als Hauptfach und grosses Nebenfach mit 60 ECTS-Punkten angeboten. Das kleine Nebenfach (30 ETCS-Punkte), das man bisher auch ohne Latinum machen konnte, wird abgeschafft. Auch das wird die Studierendenzahl verringern. Zudem werden sowohl für Seminare als auch für Vorlesungen ein Drittel mehr Punkte vergeben. Geringere Belastung und eine bessere Qualität sind das Ziel der Umstrukturierung.

Neue Professoren und Perspektiven

Hoffnung gibt es auch bei den Professuren. Carola Jäggi wird ab 1. April 2013 den Lehrstuhl der Mittelalterarchäologie innehaben. Die Kommissionsarbeit für die Mittelalterprofessur ist abgeschlossen und muss noch von der Unileitung und vom Unirat bestätigt werden. Auch die Professur für Zeitgenössische Kunst ist aller Erwartung nach per Herbstsemester 2013 wieder besetzt. Das Verfahren ist abgeschlossen und der Ruf ergangen – nach Recherchen der ZS geht er an Sebastian Egenhofer. Der deutsche Professor hat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Kunstgeschichte, Neuere Deutsche Literatur und Philosophie studiert. Er hatte in Basel die Laurenzprofessur inne. Seit diesem Jahr ist er in Wien als Professor tätig.

Das Khist bewegt sich. Internationalität, Interkulturalität und Anpassung an den globalen Kunstmarkt, zeigen die Richtung dieser Bewegung. Das breite Angebot in Europäischer Kunstgeschichte, Fotografiegeschichte und Ostasiatischer Kunstgeschichte bleibt bestehen. Zusätzlich kommt eine neue Spezialisierung auf Masterstufe: «Kunstgeschichte im globalen Kontext» soll die Anbindung an transkulturelle Phänomene und an den globalen Kunstmarkt ermöglichen. Vorbild dafür war die Freie Universität Berlin (FU), neben Zürich die einzige deutschsprachige Universität mit diesm Masterfach.

Was der neue Weg den Studierenden und Professoren bringt, wird sich zeigen – doch die Chancen stehen gut, dass das Instituts bald den einen oder anderen flügge Gewordenen wieder zurückgewinnen wird.