Das Latein am Ende
Gleich drei Studiengänge an der Universität Zürich wollen das Lateinobligatorium aufheben.
Latein ist eine tote Sprache. Nun soll sie an der Universität Zürich begraben werden. Ausgerechnet an der Uni, welche bisher als die lateinfreundlichste der Schweiz galt. In rund drei Dutzend Fächern an der Philosophischen und Theologischen Fakultät benötigen die Studierenden einen Lateinnachweis – so viel wie an keiner anderen Hochschule der Schweiz.
Für Anton Leist, emeritierter Professor für allgemeine Ethik, ist klar: «Es gibt eine immer stärker werdende Konkurrenzsituation unter den Unis.» Seine Rechnung ist einfach: An den Gymnasien gebe es immer weniger Lateinschüler. Also würden es die meisten vorziehen, an einer anderen Uni zu studieren. Besonders auf der Masterstufe sei dies eine ernst zu nehmende Realität, sagt Leist. «Die Zahl der Masterstudierenden steigt nicht an, und die Philosophie gerät in Gefahr, gesellschaftlich noch belangloser zu werden, als sie es schon ist.» Im März 2011 forderte das Philosophische Institut, das Lateinobligatorium abzuschaffen. Die Mittelalterarchäologen und das Englische Seminar haben einen entsprechenden Antrag eingereicht.
Studierende wehren sich
Dagegen regt sich Widerstand von den Studierenden. Philosophiestudent Timon, kritisiert die Ökonomisierung des Studiums, welche dahinter stehe, dass das Lateinobligatorium abgeschafft werden soll, und möchte dies verhindern. Verschiedene Gruppen von Studierenden sammeln Unterschriften für eine Petition zur Beibehaltung der Lateinpflicht. Philosophiestudierende haben bereits Ende des letzten Frühlingssemesters eine Petition lanciert, die Kommilitonen der Anglistik tun es ihnen nun gleich. Unterstützt werden sie von den Lateindozenten Martin Amann und Christian Utzinger. Sie sind der Meinung, dass Qualität vor Quantität kommt: «Die Lateinkenntnisse der Zürcher Studierenden sollten nicht nur als eine Last, sondern als Chance angesehen werden.» Das Latinum stelle eine Qualifikation dar: «Im besten Fall heben sich die Zürcher Studierenden gegenüber der ausländischen Konkurrenz ab oder können zumindest mit ihr gleichziehen.»
Anton Leist schätzt das Engagement der Studierenden, für ihn ist aber auch klar: Man sollte die künftigen und potentiellen Studierenden befragen. Die jetzigen Studierenden würden das Obligatorium bereits erfüllen und parteiisch urteilen. Es gehe bei der Frage nach der Lateinpflicht nicht um den Wert und die wissenschaftliche Bedeutung des Lateins: «Es sollte nur darum gehen, ob man mit dem Obligatorium die Zahl der lateinwilligen und -fähigen Studierenden erhöht oder nicht», sagt Leist.
Unterschriftensammlung läuft
Über die Zukunft des Lateinobligatoriums entscheidet die Versammlung der Philosophischen Fakultät am 5. Oktober. Die Studierenden sammeln noch bis zum 25. September Unterschriften für ihre Petition und hoffen, damit die Fakultätsversammlung noch umzustimmen und so das Latein am Leben zu erhalten.