Zürich gegen Wallis. Eva Lanter

Ach, du bist Walliser.

Das heisst Sina, Freysinger und Fendant!

20. September 2012

Nein, sag es nicht! Denn ich weiss es schon von Sina: «Däheimu» ist es am schönsten. Schon dumm, dass ihr keine eigene Uni habt und du zum Studieren nach Zürich ziehen musstest. Aber immerhin lebst du hier mit deinen Freunden, die du noch aus der gemeinsamen Zeit an der Sepp-Blatter-Primarschule kennst, in einer WG. Da könnt ihr jeden Abend Saaser Hüswirscht essen, Fendant trinken, und vielleicht gibt es mal selbstgemachte Cholera. Schon lustig mit diesen Spezialitäten, die keiner der Hügrüs versteht.

Aber trotz deiner WG-Freunde hast du oft Heimweh. Dann schnappst du dir den Gedichtband von Oskar Freysinger. Dein Lieblingsgedicht ist «Eurotaurus», in dem eine einheimische Kuh dem europäischen Stier «in die Eier tritt». Das passt zu deinesgleichen. Du willst eigentlich gar nichts wissen von den Fremden. Selbst die Schweiz, die ja bekanntlich 1815 zum Wallis gekommen ist (und nicht umgekehrt!), passt dir nicht. Und schon gar nicht das grosse Zürich. Aber hier musst du nun halt sein, denn im Wallis gibt es einfach keine Möglichkeit, Maschinenbau zu studieren. Und wer sonst soll die Selbstschussanlagen bauen, um den nächsten Luchs, Wolf oder Bären zu erlegen? Das Wallis tickt eben anders. Hier macht niemand die Faust im Sack. Die nimmt man lieber heraus und poltert damit auf den Tisch. So wie Pascal Couchepin, als er Christoph Mörgeli mit dem KZ-Schlächter Mengele verwechselte. Nein, zimperlich bist auch du nicht. Schon gar nicht, wenn du es mit dem Absinth wieder einmal zu gut gemeint hast.

Aber dafür zeigen die hier im Flachland wieder mal kein Verständnis. Schade eigentlich. Du würdest ihnen ja gerne erzählen, wie wunderbar das Wallis ist. Bei dem ganzen Enbri und Enbrüf hat der Rest der Schweiz aber schon längst den Anschluss verloren. Darum kannst du es am Freitag nach der letzten Vorlesung kaum erwarten, bis um zwei Minuten nach sieben endlich der Zug zurück nach Visp fährt und du mit deinem Gleis 7 einsteigen kannst. Spätestens nach dem Lötschbergtunnel hast du feuchte Augen, wenn du wieder däheimu bist.

Stimmts? Ein Walliser* antwortet:

Ja, ich bi en Walliser und seg mer ja nit Grüezi. Denn di Grüezinji sid ier da, wa nördlich va de Alpe läbet. Es tüet scho weh, wenn mo am Sunntagabond schich ine volle Zug richtig Üsserschwiiz quätscht und z Land wa Fendant und Raclette fliesst, hiner schich laht. Da, wa Chircha und Staat no Hand in Hand gehnt, wo di Vetterlji-Wirtschaft no nit va der Korruption verdrängt wordo isch und wa immer d Sunna schiint. Sehr wahrschinli het schich der Herrgott scho eppis uberleit, wenn er ischers Tällji mit 4000m hoche Bärge vo jeglicher Fremd-Iwirkig gschützt het. Wenns sus aber mal eine schafft, dischi natürlich Barriera z uberwindo, sind mo kei Grenze meh gstellt (es längt mindestens ver FIFA-König z wärdo). Der Walliser nimmt in schinum Üsserschwiizer Exil öi en gwissi Botschafterrolla wahr und durch schjini sympatischi Art bringt er Sunnuschji ine näbelig Alltag va de Flachlandschwiizer. Wier sii ja schliesslich nit alli so chauvinistisch-provozierondi Lyriker.

Aber egal, wie agnähm sus en Walliser öi üsserhalb va schinum natürlicho Habitat chat hä, en gwisse Drang, zum Rhonestrand zrugg z chero blibt. Deheimu is wirkli am schönsto, darum verwunderots scho biz, dass wir bis jetzt no kei Uni hei. Aber villicht wird schich ja dass no ändero. Nämli de, wenn ier Urban-Schwiizer immer meh Ifluss uf d Aglägoheite va isch Bärgler nämmet («tient nit Zweit-Wohnige buuo!», «tiet nit der Wolf abschiesso!», etc.). De chännti mer nämlich vorstello, dass z Wallis schini Unabhängigkeitsasprich gältond macht. So würdi d Eidgenossoschaft nach fasch 200 Jahr vam Wallis abgetrännt wärdo. De gits de ver ew kei Werbig meh mim Matterhoro. Und di Grieno chennond schich en Züekunft ohni Atomchraft abschminko, wenn ischi Staumüüre nimme Öko-Strom liferont. Also siid liäb z isch und heitnisch Sorg, damit wier öi witterhin ew mit ischum schöno Dialäkt chänne entzücko.

*Matteo Abächerli, Präsident des Walliser Studentenvereins «Societas Studentium Vallesanorum Turici».