Vernissage Mir händs nötig. Catherine Eisendle

Offspace Starkart

Urbaner Durchbruch zwischen Alltag und Kunst.

19. September 2012

Rau. Offen. Echt. Pur. Das englische Wort stark gibt das Programm von Starkart Exhibitions, einem Offspace für urbane Kunstexperimente, vor. Inmitten der städtischen Umtriebigkeit des Kreis 4 befindet sich an der Brauerstrasse 126 die Galerie der anderen Art. Ihr Leiter, Roman Leu, spürt mit seinen Kunstprojekten unorthodoxe Verfahren und Konstellationen auf. Sie lassen verblüffende Verbindungen zwischen Alltag und Kunst an die Oberfläche treten. Die aktuelle Ausstellung «Mir händs nötig» findet bereits zum dritten Mal statt. Das Alleinstellungsmerkmal ist, dass sie die Besucher zum Mitformen einlädt. Den herzhaften Titel versteht der Macher sowohl als Auf- wie Ausruf, den er wie einen Ball bewusst den Künstlern und Besuchern zur individuellen Auslegung zuspielt.

Zur Vernissage von Mir händs nötig 2.1 am 31. August präsentierte sich das Haus den Ankömmlingen leer wie so manche Kirche am Sonntagsgottesdienst. Künstler und Künstlerinnen erschienen ohne Voranmeldung, um ab Mitternacht in Eigenregie die mitgebrachte Kunst zu montieren. Bei jeder weiteren Ausgabe ist es aufs Neue eine Überraschung. So fügen sich die einzelnen Puzzleteile der offenen Sammelausstellung in über einem Dutzend Ausstellungsräumen auf der Fläche eines Tennisplatzes zusammen.

Vernetzung und Verdichtung

Leu wehrt sich gegen den «verschärften Zugang zu Kunstausstellungen und Messen». Deshalb fördert er junge Kunst in seinem Haus und dem World Wide Web. Starkart zeichnet sich durch seine starke Onlinepräsenz aus. Damit ist es zu einer Plattform herangewachsen, die über Social Media ein breites internationales Netzwerk verfügt.

Roman Leu möchte nicht nur «Möglichkeiten der Interaktion und Adaption vermehren» sondern gleichzeitig auch «die Bildung eines komplexen Systems unterstützen, welches auf Emergenz und selbstorganisiertes Wachstum ausgerichtet ist.» Der thematische Schwerpunkt der Galerie liegt auf Entwicklungen, welche aus Verdichtung von Information und der engen Vernetzung von Menschen hervorgehen.

Roman Leu ist mit seinem ganzen Herzen bei der Sache. Auf seinem Gesicht macht sich Begeisterung breit, wenn er auf die Chancen und Möglichkeiten zu sprechen kommt, die städtische Ballungszentren bieten. Die virtuelle Vernetzung wird hier durch die räumliche Nähe verstärkt. Urban Art und Net Art betrachtet er als zentrale ästhetische Kommunikationsformen, die diese urbanen Entwicklungen reflektieren. Urban Art umfasst jenes zeitgenössische künstlerische Schaffen, das Urbanität inhaltlich und formal umsetzt. Damit deckt sie ein grösseres Spektrum an Kunstformen ab als Street Art, die in erster Linie Kunst im öffentlichen Raum und die Graffitikultur umfasst. Net Art nutzt hingegen das Internet als Medium. Die digitale Revolution brachte einen radikal veränderten Zugang zu Bildern, Filmen, Texten, Musik. Die Net Art operiert in diesem Regelwerk von Massenkultur und Reproduzierbarkeit und zeigt darin enthaltene Bruchstellen auf.

Die beiden Kunstströmungen haben einen grösseren gemeinsamen Nenner, als man auf den ersten Blick meinen könnte. «Künstler beider Strömungen platzieren ihre Werke an Nicht-Kunst-Orten und kennzeichnen sie auch nicht als solche. Damit erreichen sie zwar eine viel grössere Zuschauerschaft als es Kunstwerke im herkömmlich traditionellen Sinn zulassen, nicht selten wird ihnen jedoch genau deswegen der Kunststatus aberkannt.»

Roman Leu stellt sich mit dem Offspace Starkart hinter Urban und Net Art, die mit einer eigenen Sprache ihre jeweilige Umgebung hinterfragen.