Warum tun wir uns das an? Besucher am Openair Gampel. Simon Truog

Dreck und Rock

Am Openair saufen, kiffen, dreckeln und rocken ist sinnvoller als wir denken, sagt diese am wirklichen Openair Gampel spielende fiktive Erzählung.

28. August 2012

Wieso gehen wir trotz Zivilisiertheit ans Openair? Die Vermutung ist einfach: Gerade wegen der Zivilisiertheit gehen wir hin, weil sie uns manchmal zu stark wird. Es wird hier also für einmal gegen die kultivierten Stilvollen angeschrieben, die gerne die Plumpheit von Openairs anprangern. Dabei soll kein Pamphlet fürs Primitive rauskommen; nicht so etwas wie das innere Tier (the dogs) lassen wir am Openair raus, sondern den Menschen, und der ist ein Kompromiss.

Dreck

Edi – so nennen wir einen stinknormalen Openairgänger in jungem Alter – Edi besuchte dieses Jahr das Openair Gampel im hochsommerlichen Wallis. Er freute sich darauf, drei Tage im Zelt zu schlafen und nicht zu duschen und nicht darauf achten zu müssen, wo er hintrat oder hinsass. Es erinnerte ihn an früher, als der kleine Edi gerne dreckelte. Ekel, Hygiene und solches Zeug war ihm damals fremd. Er wurde dann erzogen zu einem zivilisierten Menschen, was Edi nicht missen will, wenn er nur ab und zu so etwas wie dreckeln darf, denn das dreckeln ist immer noch irgendwo da. Und als er am Openair jeden Morgen die gleiche dreckige Hose anzog, weils nicht drauf ankam, und als er in der grossen Wasserschlacht vorne mittat, weils heiss war, dann genoss er das. Nicht jedoch, ohne sich auch wieder auf die Stadt zu freuen und auf die Dusche.

Rock

Headliner am Gampel waren die Foo Fighters. Dave Grohl inszeniert sich als Retter des Rock, dachte Edi, und nach dem Konzert musste er einsehen: er ist es auch. Die Foos haben so viel Power wie schon lange keine Rockband mehr, und sie verbinden die harten Gitarren mit grossen Melodien. Das gefiel Edi. Es ging für ihn beim Rock um Aggression. Und auch die gehörte früher zum kleinen Edi; er schlug gerne um sich und machte Dinge kaputt. Das ging natürlich nicht, und wie gehabt, Edi wurde seither zivilisiert. Doch auch das Aggressive war noch irgendwo, und Edi wusste es für seine Ziele zu gebrauchen, ohne Leute zu verprügeln oder so. Er konnte es für Dinge einsetzen, die in moralischen Kategorien als «gut» gelten. (Ob das für Pogo auch gilt, war Edi gerade egal). Wie Dave Grohl, dachte er. Woher sollte der seine Power nehmen, wenn nicht von so etwas wie Aggression.

Ausserdem schreibt Dave Grohl Lieder über den Tod, und das gefiel Edi. Wie Arthur Schnitzler einmal gesagt hat, es gibt im Grunde genommen nur die Themen Liebe und Tod, und wie fad, wenn alle nur immer über die Liebe schreiben und singen. «I’m on my knees, I never wanna die» schreit Grohl in «Walk». Das gefiel Edi. Das ist eine angemessene Haltung zum Tod, dachte er. Darauf trank Edi noch ein Bier.