Natasha Waters (rechts) und Davide Rizzitelli: «Wir führen zusammen eine Musikerbeziehung.» Miriam Gmünder

«Wir wollen auf die wirklich grosse Bühne!»

Spätestens seit dem Paléo Festival sind Kaltehand/Natasha Waters auf der grosse Bühne angekommen. Der ZS erzählt das St. Galler Electropop-Duo, was sie einzigartig macht.

2. August 2012

Natasha Waters und Davide Rizzitelli, mit euer Band Kaltehand/Natasha Waters (K/NW) habt ihr spätestens mit eurem Auftritt am Paleo gezeigt, dass ihr nicht in kleine St. Galler Keller sondern auf die grossen Bühnen gehört. Ist damit euer Ziel erreicht?

Natasha Waters: Wir sind auf jeden Fall glücklich, dass wir nach dem Openair St. Gallen noch an einem weiteren wirklich grossen Openair auftreten konnten. Aber ich will auf noch grössere Bühnen. Ich hab noch lange nicht genug.

Davide Rizzitelli: Wir haben gemerkt, dass sich unsere Musik auf den kleinen Bühnen nicht recht entfalten kann. Wir brauchen mehr Tiefe.

Am Openair St. Gallen habt ihr euch aber über die mangelnde Soundqualität geärgert.

Rizzitelli: Das ist richtig. Wir waren sehr überrascht, wie schlecht das war. Auch wenn es nur eine kleine Nebenbühne war, hätten wir von einem so grossen Openair mehr erwartet.

Waters: Besonders schade war, dass uns das gerade in St. Gallen passierte. Für uns war es gewissermassen ein Heimspiel. Alle unsere Freunde waren da. Wir wollten sie nicht enttäuschen.

Nicht nur ihr sondern auch euer musikalisches Umfeld ist aus St. Gallen. Wie kommt das?

Waters: Wir sind Dörflicheibe. Wir vertrauen gerne auf das, was wir kennen. Als wir einen Perkussionisten brauchten, fanden wir Dominik Kesseli genauso in unserem Freundeskreis wie das Künstlerduo Shef Povar, das uns mit den Visuals versorgt.

Rizzitelli: Das soll aber nicht heissen, dass wir uns nicht auch an anderen Orten umgeschaut haben. St. Gallen hat nun mal einfach für seine Grösse enorm viele gute Künstler.

Ihr baut euer Team aus und legt viel Wert auf die Performance, geht es mehr als nur um Musik?

Rizzitelli: Es geht darum, dass das Gesamtkonzept stimmen muss. Früher produzierten wir einfach ein Lied nach dem anderen. Mit dem Album «Pages» haben wir aber ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das in sich abgeschlossen ist.

Waters: Mir ist darin vor allem auch die Performance wichtig. So können wir uns von anderen Bands abheben und wahnsinnig viel erreichen.

Bei der Performance legst du viel Wert aufs Detail, Natasha. Bei jedem Lied ziehst du dir ein spezielles Gadget wie eine Maske oder ein rotes Halsband an. Im Gegensatz zu David wirkst du sehr extrovertiert.

Waters: Wir sind schon sehr unterschiedliche Charakteren. Aber das ist gut so. Wenn wir uns zu ähnlich wären, wäre auch die Musik langweilig. So ergänzen wir uns perfekt.

Rizzitelli: Die Aufgaben sind klar zugeteilt, ich kümmere mich um die Musik, Natasha um die Texte und die Performance.

Deine Texte sind sehr düster, Natasha. Erhalten wir da Einblick in dein tiefstes Seelenleben.

Waters: Man muss schon klar unterscheiden zwischen der Natasha Waters auf der Bühne und derjenigen im Klassenzimmer (Natasha Waters ist Lehrerin an einer Zürcher Primarschule, Anm. der Redaktion). Aber klar kann ich auch nicht nur von Blumen und Wiesen singen. Es steckt viel von mir in diesen Liedern, sonst könnte ich da auch nicht so viele Gefühle hineinstecken. Musik ist das Persönlichste, was man geben kann.

Du singst oft von Momenten der Trennung.

Waters: Das ist in der Tat etwas, was mein Leben prägt. Es sind ganz unterschiedliche Situationen, die ich mit diesen Liedern verarbeiten kann. Beispielsweise hat es mich sehr mitgenommen, als ich bemerkt habe, wie ich mich immer mehr von meiner besten Jugendfreundin entferne, weil wir uns einfach anders entwickelt haben.

Als Lehrerin bist du eine wichtige Vorbildfunktion für die Kinder. Schränkt dich das in deinen Texten ein?

Waters: Nein, gar nicht. Ich trenne das strikt. Ich brauche auch den Ortswechsel von Zürich und St. Gallen, wenn ich zwischen dem Bandraum und dem Klassenzimmer wechsle. Aber natürlich überschneiden sich diese Bereiche auch. Als ich in einem Interview sagte, dass ich viel Sex haben würde, wenn ich nur noch einen Tag zu leben hätte, machten meine Schüler schon grosse Augen. Aber ein Problem ist das nicht, solange ich offen mit dieser Doppelrolle umgehe.

Wie sehr schränkt euch das Musikerleben sonst im Alltag ein?

Rizzitelli: Ich würde nicht von einer Einschränkung sprechen. Aber klar, muss ich Wünsche wie eine Familie beispielsweise momentan zurückstellen. Ich möchte als Musiker etwas erreichen, das heisst für mich, konsequent diesen Weg zu gehen. Das habe ich ganz klar auch von Natasha gefordert.

Waters: Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern. Das war vor etwa zwei Jahren. Ich hatte das Bein gebrochen und fragte mich, wie es in meinem Leben weitergehen soll und ob ich mir meinen Wunsch nach einer Familie erfüllen kann. Davide sagte dann ganz klar, dass er von mir verlangt, dass ich mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren. Heute ist unser Album «Pages» mein Baby und ich führe mit Davide eine Musikerbeziehung. Aber das heisst nicht, dass ich mir diesen Wunsch in Zukunft nicht noch erfüllen kann.

Mit eurem Album habt ihr einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Was folgt als nächstes?

Rizzitelli: Ich habe vom Kanton St. Gallen ein Werkbeitrag erhalten und werde mich nun drei Monate lang voll und ganz auf die Musik konzentrieren können. Daraus entsteht dann hoffentlich auch ein neues Album.

Waters: Ich habe mein Amt als Klassenlehrerin abgegeben und wünsche mir, dass ich mich in Zukunft noch mehr auf die Musik fokussieren kann. Momentan sind wir sicher glücklich, dass wir auf immer grössere Bühnen spielen können und hoffen, dass es so weitergeht.

Kaltehand/Natasha Waters

Bereits seit fünf Jahren bilden Natasha Waters (32) und Davide Rizzitelli (34) ein St. Galler Electropop-Duo. Mit ihrem Debutalbum «Pages», das im Herbst 2011 erschienen ist, haben sie den Weg auf die grossen Schweizer Bühnen gefunden. Sie sind in Clubs wie dem D-Club in Lausanne oder der Zukunft in Zürich genauso aufgetreten wie am Openair St. Gallen oder am Paléo Festival.