Im Juni rauchen die Köpfe auch Sonntags in der rechtswissenschaftlichen Fakultätsbibliothek. Stefania Telesca

Grosser Andrang am Sonntag in der Jus-Bibliothek

Vergangenes Wochenende öffnete das RWI zum ersten Mal an einem Sonntag seine Türen. Die Studierenden nutzten das Angebot rege. Auch an den nächsten drei Sonntagen steht die Bibliothek den Lernenden zur Verfügung.

6. Juni 2012

Am Sonntag kurz vor neun Uhr vor der Bibliothek des Rechtswissenschaftlichen Instituts (RWI). An die 60 Studierende warten mit blauen Einkaufs-Körben voller Bücher darauf, dass die Glastür ins Calatrava-Oval endlich aufgeht und sie sich einen Lernplatz sichern können. Solche Anstürme sind in den Zürcher Bibliotheken in der Prüfungszeit Alltag. Die Bilanz des ersten geöffneten Sonntags im RWI ist durchaus positiv. Zwei Drittel der Plätze in der Bibliothek waren besetzt, etwa so viel wie jeweils an Samstagen, wie Franziska Gasser, Bibliotheksleiterin des RWI, auf Anfrage mitteilt. Da gestern auch die Zentralbibliothek offen war, ist sie gespannt, wie viele Studierende die RWI-Bibliothek am Sonntag, 17. Juni, besuchen werden, wenn die ZB geschlossen sein wird.

Lernende wollen Personal entlasten

Neuankommende Studierende strömen noch bis eine halbe Stunde nach Öffnung ins Gebäude. Danach kehrt Ruhe ein in der Vorhalle der juristischen Fakultätsbibliothek, wo am Schalter eine hilfsbereite Mitarbeiterin der Bibliothek sitzt. Bei Bedarf hilft sie mit einem Reservevorhängeschloss aus und sorgt dafür, dass die Benutzerordnung eingehalten wird. Die Bibliotheksangestellte, welche ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, hat sich freiwillig gemeldet, eine halbtägige Sonntagsschicht in der Bibliothek zu übernehmen. «Mein Umfeld war schon leicht empört, dass ich jetzt auch am Sonntag arbeiten muss, mich stört das aber nicht gross», sagt sie und fügt an: «Ich erledige einfach meinen Job.» Auch die Studierenden finden es nicht so schlimm, dass Angestellte der Bibliothek jetzt am Sonntag arbeiten müssen. «Ich selbst bin ja auch am lernen!», meint Jusstudentin Anna (21). Andere sind der Ansicht, dass das Personal ja angemessen entlohnt werde. Einigen Lernenden tut es aber schon leid, den Bibliotheksangestellten den freien Sonntag zu nehmen. Darum kam Lernenden, als sie auf dieses Problem aufmerksam gemacht wurden, die Idee, dass Studierende die zusätzlichen Arbeitsstunden übernehmen könnten. Mara, eine 20-jährige HSG-Studentin aus Zürich, meint, es mache immerhin noch mehr Sinn, eine Bibliothek am Sonntag zu öffnen, statt eine Tankstelle oder ein Lebensmittelgeschäft. Und es scheint, dass die Umstände in Zürich im Vergleich geradezu milde sind. Die Bibliothek der Universität Konstanz hat nämlich von Montag bis Sonntag durchgehend 24 Stunden geöffnet.

Die 24/7-Studierenden

«Sind denn Studierende einer solchen Lernbelastung ausgesetzt, dass sie keine Freizeit mehr haben?», wundert sich die freundliche RWI-Mitarbeiterin. Und tatsächlich ist es fraglich, warum sich Studierende nicht einmal mehr einen einzigen Ruhetag in der Woche gönnen können. Die befragten Sonntagslernenden glauben aber nicht, dass ihnen zu viel zugemutet wird. Wirtschaftsstudent Christoph (24) weiss, dass er sich die viele Arbeit kurz vor den Prüfungen jeweils selbst einbrockt, weil er nicht früher mit dem Lernen beginnt: «Es ist halt meine Art, immer alles in letzter Minute zu erledigen», erklärt er und zuckt mit den Schultern. Andere wiederum berichten, dass sie unter der Woche Teilzeit arbeiten, und darum unbedingt beide Tage des Wochenendes zum Lernen brauchen.

Seminarräume als denkbare Alternative

Sonntagslernen wäre aber grundsätzlich auch an einem anderen Ort möglich, zum Beispiel in einem Seminar- oder Vorlesungsraum, der sonntags geöffnet würde. Dies wäre für Gasser als Alternativlösung denkbar. Dort müsste nur jemand öffnen und schliessen, Bibliothekspersonal wäre nicht nötig. So wäre es viel unkomplizierter. Jedoch bräuchte es Sicherheitspersonal, um die Räume zu kontrollieren, was natürlich auch mit Mehrkosten verbunden wäre. Bei Studierenden findet diese Idee grundsätzlich Anklang, jedoch betonte beispielsweise Jusstudent Marius, 20, dass er die Infrastruktur der Bibliothek mit grosszügigen, hellen Arbeitsplätzen und Schliessfächern, wo er seine Wertsachen verstauen kann, schon sehr schätze.

Drei weitere Sonntage geöffnet

Die erste Sonntagsöffnung des RWI war ein Erfolg. Die Bibliotheksleitung wird aber erst nach den drei weiteren Sonntagen, an denen die Bibliothek diesen Monat von 9 bis 17 Uhr geöffnet ist, eine definitive Bilanz ziehen. Dann wird auch entschieden, ob die Bibliothek in Zukunft an weiteren Sonntagen öffnen wird. In den nächsten drei Wochen können sich Studenten im RWI aber sicher noch an allen sieben Tagen der Woche frühmorgens ein blaues Körbchen schnappen und darauf warten, dass sie endlich mit Lernen loslegen können.