Ist im Juni zum ersten Mal auch sonntags geöffnet: Die Fachbibliothek der Juristen an der Rämistrasse 74. Frank Brüderli

Sonntagslernen jetzt auch in der Jus-Bibliothek

In der Prüfungsphase sind Lernplätze rar. Doch Besserung ist in Sicht: Nach der Zentralbibliothek öffnet nun auch die juristische Fakultätsbibliothek sonntags ihre Tore. Personalvertreter sind skeptisch.

29. Mai 2012

In der Prüfungszeit ist die Bibliothek des Rechtswissenschaftlichen Instituts (RWI) wie auch die Zentralbibliothek Zürich (ZB) immer dermassen überfüllt, dass Studierende am Morgen vor den Türen bereits Schlange stehen, um einen der begehrten Lernplätzen zu ergattern. Das war nicht immer so. Franziska Gasser, Bibliotheksleiterin des RWI, erinnert sich noch an Zeiten, als ihre Bibliothek über Weihnachten und Neujahr geschlossen blieb, während nun für die gleiche Zeit über Sonntagsöffnungen diskutiert werde. Den Grund für die Knappheit an Lernplätzen sieht sie, genauso wie ihre Kollegin, Natascha Branscheidt, die bei der ZB für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist, in der Bologna-Reform. Seit deren Umsetzung fänden regelmässiger Prüfungen statt und dazu noch an fast allen Fakultäten gleichzeitig.

FV Jus und Bibliotheksleitung sind sich einig

Der Fachverein Jus (FV Jus) hat das Platzproblem erkannt und schlug deshalb vor, die Öffnungszeiten ihrer Fachbibliothek auszudehnen. Doch die Fachvereinsmitglieder wollten es ganz genau wissen. Sie befragten ihre Mitstudierenden, ob die Bibliothek eher am Abend, am Samstag länger oder am Sonntag geöffnet sein sollte und in welchem Zeitraum das Bedürfnis nach längeren Öffnungszeiten am grössten ist. Die Studierenden antworteten mehrheitlich, dass die Bibliothek am Samstagabend und am Sonntag vor Prüfungen länger geöffnet haben sollte. Darauf suchte der Fachverein das Gespräch mit der Bibliotheksleitung und konnte dank der Befragungsresultate genau aufzeigen, wo der Bedarf bei den Studierenden am grössten ist, wie Moritz Schmid, Präsident des FV Jus, erklärt.

Bei der Bibliotheksleitung rannte der Fachverein offene Türen ein, denn das Thema stand schon länger zur Diskussion. Dies vor allem weges des Vorbildes ZB, welches nun bereits zum dritten Mal Sonntagsöffnungen durchführt (am 3. und 10. Juni von 9 bis 17 Uhr). In einer Abendstatistik fand das RWI zudem heraus, dass unter der Woche nach 18 Uhr weniger als zehn Prozent der Lernplätze überhaupt noch genutzt werden. Darum schätzte es Bibliotheksleiterin Gasser als sinnvoller ein, die Tagesöffnungszeiten auf Sonntage auszudehnen, anstatt die Öffnungszeiten am Abend weiter auszubauen. Darum öffnet die Bibliothek des RWI diesen Juni zum ersten Mal auch sonntags die Tore. Und zwar an allen vier Sonntagen von 9 bis 17 Uhr.

Gewerkschaft «not amused»

Eine zusätzlich nötige Reinigung der Bibliothek wird vom Reinigungsdienst der Uni übernommen. Auch den Bedarf an Bibliothekspersonal deckt die RWI-Bibliothek mit eigenen Leuten, im Gegensatz zur Zentralbibliothek, welche dazu zusätzliches Personal einsetzt. Beim VPOD, Verband des Personals Öffentlicher Dienste, ist eine Entwicklung in Richtung Sonntagsöffnungen nicht gern gesehen. Sie kämpfen gerade gegen die Initiative der FDP «Der Kunde ist König», welche die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten zum Ziel hat. «Bevor überhaupt die Arbeitszeit auf das Wochenende für noch mehr Personen ausgedehnt wird, verlangt der VPOD endlich Verbesserungen der Arbeitsbedingungen», fasst Christoph Lips, Regionalsekretär des VPOD, die Haltung der Gewerkschaft zusammen. Sie befürchtet, dass die Bibliotheken den Sonntag schleichend zum Arbeitstag machen möchten. Diese Gefahr sieht Bibliotheksleiterin Gasser überhaupt nicht, da das Sonntagslernen ausschliesslich in der Zeit vor den Prüfungen ein Bedürfnis der Studierenden sei. Auch das Personal habe den Vorschlag recht gut aufgenommen, versichert sie.

Cafeteria bleibt zu

Falls die neuen Öffnungszeiten ein Erfolg werden, ist es wahrscheinlich, dass das RWI auch in künftigen Prüfungsperioden am Sonntag geöffnet haben wird. Der FV Jus und die Bibliotheksleitung sind bereits gespannt, wie das Angebot von den Studierenden wahrgenommen wird.

Dank der erweiterten Öffnungszeiten dürfte die Schlange vor dem Bibliothekseingang nun etwas kürzer ausfallen. Nicht so diejenige vor dem Snack-Automaten. Denn die Cafeteria bleibt sonntags weiterhin geschlossen.