Der StuRa erreichte die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft durch geschicktes Lobbying. Castegna Duran

Vom Papiertiger zum Löwen

Der StuRa hat tausende Arbeitsstunden investiert, um rechtlich unabhängig zu werden. Wenn alles klappt, ist es diesen Sommer soweit. Ein Zwischenbericht.

26. April 2012

Der Studierendenrat der Uni Zürich (StuRa) ist ein Papiertiger. Er sieht zwar so aus, als würde er die Interessen der Studierenden durchsetzen, kann in Wirklichkeit aber nicht mal ohne Bewilligung einen Newsletter versenden. Er kann keine Verträge abschliessen und bekommt sein Geld nur, wenn die Unileitung es absegnet. Ab diesem Sommer soll alles anders werden. Denn voraussichtlich tritt eine Änderung des Universitätsgesetzes in Kraft, die wieder eine verfasste Studierendenschaft vorsieht. Dann ist der StuRa Geschichte und der im Entstehen begriffene VSUZH, der Verband der Studierenden der Uni Zürich, vertritt die Studierenden als rechtlich eigenständige Körperschaft.

Unermüdlicher Einsatz

Dafür haben Generationen von StuRa-Mitgliedern in den letzten Jahren viel investiert: Zuerst wollten sie den StuRa in einen privatrechtlichen Verein umwandeln. Eine Kommission tüftelte in mühseliger Kleinarbeit Statuten aus.

Schlussendlich stellte sich heraus, dass die Überführung eines öffentlich-rechtlichen Gremiums in einen privatrechtlichen Verein gar nicht möglich ist. Die fleissigen StuRa-Parlamentsmitglieder liessen sich davon aber nicht entmutigen und machten sich daran, auf politischem Weg ihr Ziel zu erreichen. Das war nicht einfach. Der bürgerlich dominierte Kantonsrat wollte anfangs nichts von einer verfassten Studierendenschaft wissen. Schliesslich hatten die Rechten in den 1970er Jahren dafür gesorgt, dass der damaligen Studierendenvertretung, der SUZ, ebendiese Rechtsform entzogen wurde. Ihnen war die Studierendenschaft zu politisch und vor allem zu links.

Lobbyieren statt rebellieren

Um die Bürgerlichen zu überzeugen, machte der StuRa in den letzten Jahren auf zahm: Lobbyieren statt Demonstrieren war angesagt. Als im Herbst 2009 Studierende wochenlang den grössten Hörsaal in Beschlag nahmen, um gegen Bologna und höhere Studiengebühren zu protestieren, distanzierte sich niemand schärfer von der Unsereuni-Bewegung als die damalige StuRa-Präsidentin Sylvie Fee Michel. Sie fürchtete, die Besetzung könnte dem Projekt VSUZH schaden. Gleichzeitig umgarnten StuRa-Vertreter die Kantonsräte an Lobbying-Apéros.

Das Kalkül ging auf. Im August 2011 stimmte das Kantonsparlament mit 99 zu 72 Stimmen für die Wiedereinrichtung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. An der letzten StuRa-Sitzung nahm der neue Verband nun konkrete Form an, die Statuten wurden verabschiedet und erste Logo-Entwürfe diskutiert. Obwohl rechtlich nicht unbedingt vorgesehen, prüft die Erweiterte Unileitung die Statuten. Wenn sie die Statuten absegnet, sei die Chance gross, dass sie vom Unirat durchgewinkt würden, erklärt der amtierende StuRa-Präsident Martin Roeck das Vorgehen. Nur wenn das oberste Gremium der Universität grünes Licht gibt, wird die Gesetzesänderung durch den Regierungsrat in Kraft gesetzt. Roeck rechnet damit, dass es am 1. August soweit ist. Die ersten VSUZH-Wahlen fänden dann im Februar 2013 statt. Dann würde aus dem Papiertiger ein lebendiger Löwe. Entsprechende Logo-Entwürfe mit Züri-Leu wurden bereits diskutiert. Die ZS präsentiert, was sich nun ändert und was noch ungeklärt ist.

1. Neuer Name

Das Studierendenparlament heisst in Zukunft Rat des VSUZH. Es wird von allen Studierenden gewählt. Der Rat des VSUZH bestimmt einen Vorstand, der dem heutigen StuRa-Büro entspricht, und wählt ein Präsidium. Neu gilt nicht mehr die Fakultät als Wahlkreis, man kann also als Medizinerin einen Historiker wählen.

2. Abmelden möglich

Künftig sind alle Studierenden zwar automatisch Mitglied der Körperschaft VSUZH, es steht aber allen frei, auszutreten. Diese Regelung war entscheidend dafür, dass der Kantonsrat der Wiedereinrichtung der Körperschaft zustimmte. Denn die Gegner warnten vor einer «Zwangskörperschaft». Ob man bei der Immatrikulation ein Häkchen abwählen oder eines setzen muss, um auszutreten, steht noch nicht fest. Nicht-Mitglieder dürfen den Rat des VSUZH zwar wählen, sich aber nicht selber zur Wahl stellen.

3. Baustelle Dienstleistungen

Bevor die historische verfasste Studierendenschaft 1978 abgeschafft wurde, unterstanden ihr nicht nur die ZS als offizielles Organ, sondern auch die Zentralstelle samt Studentenladen, Druckerei und Jobvermittlung, die Darlehenskasse sowie der Solidaritätsfonds für ausländische Studierende. Ob diese Institutionen in die wiedererschaffene Körperschaft integriert werden, wird gerade diskutiert.

4. Initiativen

Werden die VSUZH-Statuten vom Unirat abgesegnet, können alle Studierenden eine Initiative einreichen. Unterschreiben zwei Prozent der Studierenden innerhalb eines Monats, kommt sie zustande. Stellt sich die Mehrheit des Rats des VSUZH hinter das Anliegen, wird es direkt verabschiedet. Wenn nicht, kommt es zur Abstimmung unter den Studierenden.

5. Fachvereine gestärkt

Bisher war der StuRa zuständig für die Vertretung der Studierenden an Fakultätsversammlungen. Neu dürfen die Fachvereine selber bestimmen, wer an den Versammlungen teilnimmt. Auf diese Weise können auch Nicht-VSUZH-Mitglieder an der Unipolitik teilnehmen.

6. Mitgliederbeitrag

Das Budget des StuRa speiste sich aus dem Posten «Studentisches» der Studiengebebühren. Der VSUZH ist berechtigt, einen Mitgliederbeitrag von bis zu zwei Prozent der Studiengebühren zu erheben. Das wären nach der jüngsten Erhöhung 14.40 Franken. Wer nicht bereit ist, zu zahlen, kann aus dem VSUZH austreten. Mit dieser Regelung profitiert der VSUZH künftig von Studiengebührenerhöhungen. «Vermutlich werden wir den Maximalbetrag aber gar nicht ausschöpfen», relativiert Roeck. Der definitive Betrag muss erst noch in Reglementen festgelegt werden. Klar ist, dass der neue Studierendenverband mehr in der Kasse haben wird. StuRa-Präsident Roeck rechnet vor: «Wenn nur 20 Prozent der Studierenden im VSUZH Mitglied werden, hat er mehr Mittel zur Verfügung als der StuRa.» Der VSUZH wird sein Geld zudem selbstständig verwalten können.