Lukas Messmer

Schnipselseite

Waltraud Spezial: Was Waltraud gelesen, erlebt und gesagt hat. Ausserdem: Was geschieht in unserem Hirn, wenn wir Waltraud suchen.

26. April 2012

Geschehen

Die Waltraud hat mit ihrer Fotocrew einst die Bibliothek des Rechtwissenschaftlichen Instituts aufgesucht. Doch die fleissigen Jusstudierenden waren ihr nicht sehr wohlgesinnt. Korrekt wie sie ist hatte Waltraud bei der Bibliotheksleitung die Bewilligung eingeholt. In 15 Minuten wäre es im Kasten gewesen. Und es wäre ein grossartiges Bild geworden mit dieser Kulisse! Wenn nicht ein verbissener Jusstudent alles verhindert hätte. Er geriet in Rage: «Könnt ihr euer beschissenes Foto nicht anderswo machen, ich muss hier lernen! Und überhaupt darf man hier gar nicht fotografieren, und auf dem Scheissfoto will ich auch nicht erscheinen!», flüsterte der pflichtbewusste Jusler energisch der verdatterten Waltraud entgegen. Das war zuviel, weshalb sie die ganze Übung abbrechen und einen Alternativort suchen musste für ihr Suchbild.

Gesagt

«Ich stehe gerne im Mittelpunkt, solange ich verkleidet bin.»

Daniela Zimmermann lässt sich seit zwei Jahren als Waltraud an allen möglichen und unmöglichen Orten ablichten.

Gewusst

Eine Auswahl aus Waltrauds Bibliothek:

- Die Wahlverwandtschaften

Johann Wolfgang von Goethe

- König Ödipus

Sophokles

- Woyzeck

Georg Büchner

- Nathan der Weise

Gotthold Ephraim Lessing

- Odyssee

Homer

Gefragt

Herr Professor Meyer, was geschieht in unserem Hirn, wenn wir ein «Wo ist Waltraud?» betrachten?

Wenn Menschen ein Suchbild lösen, dann nennt man das visuelle Suche. Das Gehirn ist an für sich sehr gut darin, gezielt nach Gegenständen zu suchen, insbesondere wenn diese konkret sind (es ist also einfacher, einen Schirm zu suchen als ein Kunstwerk, weil man damit den Suchradius ausdehnt).

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Elementarmerkmale, also Kanten, Farben und Richtungsvektoren. Auch spielt die Textur des Hintergrunds natürlich eine Rolle. Man findet den zu suchenden Gegenstand umso schneller, je besser er sich vom Hintergrund unterscheidet. Folgende Merkmale eines Gegenstandes beeinflussen ebenfalls die Geschwindigkeit der visuellen Suche: Krümmung, Orientierung, Farbe, Linienendpunkt, Bewegung, Geschlossenheit, Kontrast, Helligkeit.

Die visuelle Suche verläuft auf mehreren Stufen. Auf der ersten Stufe werden die Elementarmerkmale identifiziert. Sie sind dort noch unabhängig voneinander. Auf der zweiten Stufe, der Stufe der gerichteten Aufmerksamkeit, werden diese Merkmale zusammengesetzt. Auf der darauffolgenden Stufe werden die zusammengesetzten Elementarmerkmale als dreidimensionales Objekt wahrgenommen. In der letzten Stufe wird ein Vergleich des wahrgenommenen Objekts mit den im Gedächtnis gespeicherten Objekten wahrgenommen. Areale im primären und assoziativen visuellen Kortex leisten diese Aufgabe und natürlich lässt sich die Geschwindigkeit der visuellen Suche trainieren.

Martin Meyer ist Assistenzprofessor am Lehrstuhl für Neuropsychologie an der Universität Zürich.