Die «gläserne Decke» hindert Studentinnen am Aufstieg bis auf den Lehrstuhl. Louise Østergaard

Studentinnen stossen sich an Glasdecke

An der Uni Zürich studieren deutlich mehr Frauen. Auf Professorenstufe sind sie massiv untervertreten. Ein Mittel dagegen heisst Peer-Mentoring.

22. März 2012

Mit den Frauen an der Uni Zürich ist es wie mit Bäumen beim Wandern. Je höher man steigt, desto seltener begegnet man ihnen.

In den flachen Ebenen der Studierendenschaft stehen sie an jeder Ecke: ob am Theologinnenenrain (65 Prozent) oder im Jus-Tobel (56), in der Philosophinnengasse (66) oder am Medizin-Weg (58). Ja, selbst den mathematisch-naturwissenschaftlichen Gipfel (49) haben sie schon eingenommen. Nur im Wirtschaftstal (29) trifft man sie selten, dafür ist frau auf dem Plateau der Veterinärmedizin (85) fast unter sich.

Bei den Doktorierenden eine Stufe weiter oben verändern sich die Geschlechterverhältnisse noch nicht wesentlich. Bis ins Hochgebirge schaffen es dagegen nur die allerwenigsten. Nur knapp 17 Prozent der Lehrstühle sind von Professorinnen besetzt. Geht den Frauen vorher die Luft aus oder ist es nur ein Frage der Zeit, bis sie die Alpen der wissenschaft erklimmen?

«Familie als Karrierehemmer»

Elisabeth Maurer, Leiterin der Abteilung für Gleichstellung, weiss, dass es nicht nur daran liegt, dass die Frauen weniger lange an der Uni zugelassen sind. Die Wege nach oben seien für Frauen auch steiniger. «Die Situation verbessert sich nur langsam. Wenn sich der Frauenanteil auf Professorinnenstufe im gleichen Tempo weiterentwickelt, dauert es in einigen Fachdisziplinen noch ewig, bis wir von Gleichstellung sprechen können.» Ein grosser Teil der erfolgreichen Studentinnen gehe der Uni zwischen Doktorat und Habilitation verloren. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Einige Frauen finden eine attraktivere Anstellung in der Privatwirtschaft, andere gründen eine Familie und verzichten deshalb auf die direkte Weiterverfolgung ihrer Karriere. «Noch immer ist für Frauen die Familie eher ein Karrierehemmer als für ihre Partner», erklärt Maurer. Dies liege nicht nur an überholten Rollenbildern in den Köpfen, sondern auch an fehlenden Krippenplätzen für Säuglinge. Zudem sei es auch für Männer, die ihre Partnerin unterstützen wollen, schwierig, etwa wenn sie auf Teilzeit reduzieren wollen.

Die gläserne Decke

Anna Christmann ist auf gutem Weg nach oben. Sie hat einen Doktor in Politikwissenschaften in der Tasche und denkt trotz Schwangerschaft nicht daran, ihre Karriere an den Nagel zu hängen. Die junge Forscherin fühlte sich bisher noch nie direkt diskriminiert und kann sich spontan bis auf ein paar faule Sprüche ihrer Kollegen zum Thema Frauenförderung nicht an konkrete Momente der Benachteiligung erinnern. Doch Christmann weiss: «Die Hürden für Frauen sind immer noch höher, auch wenn sie im Alltag nicht sichtbar sind.» Im Gleichstellungs-Fachjargon nennt man dieses Phänomen die «gläserne Decke». Studentinnen stossen sich daran beim Aufstieg den Kopf. Dass Männer es leichter haben, liegt laut Christmann auch am Networking: «Es kommt eben nicht nur darauf an, was man an einer Konferenz sagt, sondern auch, wer mit wem danach ein Bier trinkt. Und darin sind die Männer immer noch besser», erklärt Christmann. Gleichstellungsexpertin Maurer bestätigt diese Einschätzung. «Junge Forscherinnen sind schlechter vernetzt als ihre männlichen Kollegen.»

Quoten gefordert

Am Professorinnen-Apéro trinken Frauen untereinander. Wenn auch kein Bier, dann doch ein Glas Rotwein. Auf dem Podium fordert Margit Osterloh, emeritierte BWL-Professorin, Quoten in den Wahl- und Evaluationsgremien der Uni. Dies, obwohl sie, als sie zwischen 1997 und 2000 Präsidentin der Gleichstellungskommission war, Quoten noch ablehnte. Ihre Nachfolgerin Brigitte Tag schaffte den Aufstieg bis zum Gipfel auch ohne Quoten. Trotzdem unterstützt sie als zeitlich befristetes Pilotprojekt Quoten in Auswahlgremien. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter: Da die wenigen Frauen an der Uni bereits so ausgelastet seien, dass sie nicht noch in allen Gremien sitzen können, sollen externe Frauen die Gremien verweiblichen. Tag denkt dabei an Frauen aus der Wirtschaft oder von anderen Unis. «So würde sich das Geschlechterverhältnis in der Professorenschaft schneller ausgleichen», sagt sie.

Die Strafrechtsprofessorin Tag, die einen eigenen Lehrstuhl hat und im Unirat sitzt, ist für viele Frauen an der Uni ein Vorbild. Für Linda Maduz, Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft, waren solche Frauen wichtig auf ihrem bisherigen Weg: «Es war sehr wichtig zu sehen, dass es Professorinnen und Oberassistentinnen gab, die mir das Gefühl gaben, dass auch ich es kann», sagt sie.

Mit Peer-Mentoring nach oben

Um den steinigen Weg nach oben nicht alleine gehen zu müssen, gründete Maduz zusammen mit Anna Christmann und anderen Doktorandinnen 2008 die Peer-Mentoring-Gruppe «PoliNet». Sie organisierten Workshops zu Themen wie «Netzwerken als Arbeits-, Karriere- und Entwicklungsinstrument» oder «Familienplanung und Karriere». Sie tauschten sich mit Professorinnen über den richtigen Zeitpunkt fürs Kinderkriegen aus, trafen Nationalrätinnen und gewöhnten sich im Rhetorik-Workshop defensive Sprechmarotten ab.

Peer-Mentoring ist ein Projekt, das es seit 2008 an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen und der Philosophischen Fakultät gibt. Ab diesem Semester können Studentinnen der Rechtswissenschaftlichen und der Theologischen Fakultät ebenfalls eine Peer-Mentoring- Gruppe gründen und für ihre Aktivitäten bis zu 10'000 Franken bekommen. Auch Studenten dürfen mitmachen. Bedingung ist aber, dass mindestens eine Frau an der Leitung beteiligt ist und die Gruppe Gleichstellungsaspekte berücksichtigt.

Gleichstellung noch nicht in Sicht

Das Geld für die Peer-Mentoring-Gruppen stammt zu einem grossen Teil aus dem Bundesprogramm Chancengleichheit, das die Erhöhung der Anzahl Professorinnen anstrebt.

Dies gelingt nur langsam. Steigt die Anzahl Professorinnen wie in den letzten Jahren, dauert es noch mindestens drei Jahrzehnte, bis es gleich viele Professorinnen wie Professoren gibt. Gleichstellungsabteilungsleiterin Maurer formuliert es so: «Ich rechne vor meiner Pensionierung nicht mehr damit.» Bäume wachsen langsam.