Andrea Schenker-Wicki will sich an der Uni für eine gute Kinderbetreuung einsetzen. Annik Hosmann

«Frauen schreckt die Unsicherheit ab»

Andrea Schenker-Wicki ist erst die dritte Frau in der Leitung der Universität Zürich. Sie erklärt, warum ihre Tochter bessere Chancen haben wird als sie.

22. März 2012

Gratulation, Frau Schenker-Wicki. Nach 13 Jahren sitzt mit Ihnen wieder eine Frau in der Universitätsleitung. Was bedeutet das für Sie?

Nichts Spezielles. Es ehrt mich, dass ich diese Aufgabe übernehmen darf. Aber ich sehe mich als Prorektorin und nicht explizit als Frau in einem neuen Gremium.

Es ist also kein Problem, dass an der Uni in den letzten Jahren nur Männer regiert haben?

Natürlich haben Frauen im Allgemeinen und ich als zweifache Mutter in einigen Fragen einen anderen Blickwinkel. Ich kann mich aber über die Uni nicht beklagen. Sie hätte sich kaum anders entwickelt mit einer Frau in der Unileitung. Aber es ist eine Bereicherung für alle Seiten, weil jetzt andere Aspekte hineingetragen werden.

Woran denken Sie dabei konkret?

In erster Linie an Betreuungsangebote für Kinder. Wer Frauen behalten will, muss für deren Kinder eine Alternative zur Betreuung bieten. Sonst gehen sie. Ich habe mich schon dafür eingesetzt, als ich beim Bund (Schenker-Wicki war 1997 – 2001 Chefin der Sektion Hochschulen beim Bundesamt für Bildung und Wissenschaft, Anm. der Red.) bei der Erarbeitung des neuen Universitätsförderungsgesetzes ein Frauenprogramm einführte. Darin sind Gelder für Krippenplätze vorgesehen. Für einen modernen Arbeitgeber ist das eine Selbstverständlichkeit.

War die Uni in den letzten Jahren zu wenig modern?

Sie haben zwar das Krippenangebot erweitert, aber es gibt immer noch lange Wartezeiten. Auch die Öffnungszeiten sind zu kurz, da sind die Randzeiten noch zu wenig abgedeckt.

Sie werden Prorektorin der Wirtschaftswissenschaftlichen (WWF) und Rechtswissenschaftlichen Fakultät (RWF). Im Bezug auf die Geschlechterverhältnisse bei den Dozierenden unterscheiden sich die beiden deutlich. Was kann die WWF (Professorinnenanteil von 9.8 Prozent) von der RWF (19.5 Prozent) lernen?

Der Anteil der Frauen in der WWF ist allgemein gering. Ausserdem sind akademische Karrieren ein Lotterbett. Viele Frauen schreckt diese Unsicherheit ab, und sie verlassen die akademische Welt. Wir haben zu wenige gute Bewerberinnen. Ich kann niemanden anstellen, nur weil sie eine Frau ist.

Sie haben einen Sohn (10 Jahre) und eine Tochter (7 Jahre). Werden die beiden die gleichen Chancen haben?

Ich bin mir sicher, dass sich die Situation für sie ändern wird. Die Mittelschule besuchen mehr Mädchen als Buben, und das zieht sich an die Uni weiter. So wird die Feminisierung der Wissenschaft vorangetrieben. Bereits heute werden 60 Prozent aller Dissertationen weltweit von Frauen geschrieben. Meine Tochter wird statistisch gesehen eine bessere und mein Sohn eine schlechtere Chance haben, an der Uni erfolgreich zu sein!

Zur Person

Andrea Schenker-Wicki wurde 1959 in Zürich geboren. Seit 2001 ist sie Professorin für BWL und Direktorin des Weiterbildungprogramms Executive MBA. Ab dem 1. August 2012 wird Schenker-Wicki neue Prorektorin der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften.