dpa

Duell: Aprilscherz

Eva Moser (Pro) und Konrad Stähelin (Contra)
22. März 2012

«April, April!» — Sind Aprilscherze eine nette Auflockerung im Alltag oder einfach nur nervtötend?

Dafür

Geburtstage, Hochzeitstage, Muttertage: Der Mensch hat sich reihenweise Anlässe geschaffen, um seiner Wohlgesinnung und Liebe gegenüber seinen Mitmenschen in allen Formen und Farben Ausdruck zu verleihen. Kollektives Gernhaben ist schön, doch in seiner Reinform entspricht es ebenso wenig der Realität des Menschseins wie die kreativen Schwindeleien, die traditionsgemäss am ersten Tag des trügerisch wetterwendigen Monats kursieren.

Der Aprilscherz ist die kostbare Essenz dieses Tages, an dem die Realität für einmal ungewöhnlich stark ins Wanken gerät. Alles ist möglich, nichts ist undenkbar! Der Tag bietet die einzigartige Gelegenheit, die Leichtgläubigkeit der Mitmenschen genüsslich auszukosten und wahllos Luftschlösser zu bauen. Und dies erst noch ohne Bedarf an Erklärung! Die liefert der Kalender am 1. April ohne Aufforderung. Die Bedenken, auf spiessiges Unverständnis zu stossen und in peinliche Erklärungsnot zu geraten, wären damit ausgeräumt.

April, April! Es fällt dem Gegenüber wie Schuppen von den Augen. Stell dir den Gesichtsausdruck deines Auserwählten vor: Ein Gemisch aus Ungläubigkeit, Ertapptwerden und Verlegenheit ob der eigenen Blauäugigkeit schlägt dir entgegen. Der Genuss dieses magischen Moments setzt keine Bösartigkeit voraus. Der Hang zum Schwindeln und Flunkern liegt in der Natur des Menschen.

Bereits die alten Römer feierten Narrenfeste. Und schon im 18. Jahrhundert wussten die ersten Medien um das Heiterkeitspotential absichtlicher Falschmeldungen. Hühner könne man analog zu Ostereiern in allen Farben züchten, indem man die Umgebung entsprechend streiche. Was heute längst machbar ist (einfach Farbe ins noch nicht ausgebrütete Ei spritzen), hatte damals das Zeug zur unvorstellbaren Realität.

Aprilscherze sind aber nicht bloss Anlass zum schrankenlosen Phantasieren und genüsslichen Triumphieren, sondern gar Vorboten der Zukunft. So hatte der Aprilscherz eines lokalen Basler Radiosenders im Jahr 2003 konkrete Nebenwirkungen: 10‘000 neue Sitzplätze solle es fürs heimische Fussballstadion geben. Dieses wurde daraufhin tatsächlich vergrössert. Wie wunderbar wäre es, würde demnächst die Überschrift: «Mensabetriebe der Uni Zürich senken den Kaffeepreis als Gegenreaktion zur Semestergebührenerhöhung auf einen Franken» kursieren und dasselbe Schicksal erleiden.

Contra

Okay, okay, ich gebs ja zu: Manchmal ist so ein Aprilscherz ja schon nicht schlecht. Zum Beispiel kennt unser aller Lieblingsquelle Wikipedia einen der möglichen Ursprungsmythen des 01.04.: Frankreichs König Heinrich IV. stand total auf junge Frauen, dabei war er doch verheiratet. Also nahm er eine Einladung einer 16-Jährigen zu einem Date an – doch dort wartete nur: seine Frau! Bruahahaa, ist das nicht genial? Ach ja, diese Geschichte ereignete sich eben an einem 1. April. Und deswegen feiern einige von den ganz Witzigen halt auch heute noch Streiche an diesem Tag.

Aber im Ernst jetzt. Wenn ich an Aprilscherze denke, kommen mir picklige, oberwitzige Pubertierende in den Sinn. Keine Ahnung, wieso. Läuft genau dieser Schlag Mensch an jenem Tag zur Hochform auf? Vielleicht. Oder ich denke nur an mich vor einigen Jahren: Läck, hatten meine Jungs und ich eine Gaudi mit den Witzchen. Aber heute? «Schuebändel offe, ohhhh, lug emal, es UFO, Hoselade offe…» Ich würde dem Koni von damals eis ad Ohre geben. «Hau ab ins Gymi und verarsche deinen Biolehrer!» Wir halten also fest: Kein Mensch über 18 findet diese Art von Scherzen witzig.

Genauso objektiv unlustig: Die Scherze, die jedes Jahr wieder in den Blättern und deren Onlineauftritten stehen. 2011 schrieb die NZZ über Wikileaks-Dokumente zu Caesars Ermordung. Der Tagi wusste, dass das Militär den Prime Tower auf seine Erdbebensicherheit überprüfen wolle. Beides erstunken und erlogen, ha! Und endlich merkt der Leser: Hui, die auf den Redaktionen haben ja echt Humor. Chogeglatt!

Am meisten gehen mir jedoch die Artikel auf den Keks, auf die die Etikette «Kein Aprilscherz!» draufgeknallt wurde. Vor dem 1. April, an diesem wichtigsten Tag des Jahres und selbst danach: Google findet sogar einen Artikel aus dem Dezember, den ein Journi so betitelt hat. Und alles nur, um damit zu sagen: «Es ist eigentlich unglaublich, was ich hier schreibe. Aber es ist wahr. Nicht zu fassen, es ist wahr! Echt jetzt, glaubt mir! Kein Aprilscherz!»