Zurück vom Erasmus, und nichts wird angerechnet? Im Bild die Université Paris-Sorbonne. Theo Zierock

Sag mir, wo die Punkte sind...

Eine Studie untersucht die Anrechnung von ECTS-Punkten, die im Ausland gesammelt wurden. Die Schweiz schneidet schlecht ab.

23. Februar 2012

Die Schweiz ist eine Eigenbrötlerin. Auch in der Hochschulpolitik. Am Erasmus-Programm nahm sie bis im Sommer 2011 nur indirekt teil. Entscheidungsprozesse liefen ohne die Schweiz ab, dafür galten einige Abmachungen für sie nicht. Doch die Halb-abstinenz der Schweiz war für ihre

Austauschstudierenden ein Nachteil.

So mussten Schweizer Erasmus-Outgoings, anders als ihre Kommilitonen in der EU, kein Learning Agreement (LA) ausfüllen. Wenn sie es denn doch taten, legten sie darin mit den Erasmus-Verantwortlichen ihrer Institute die Bedingungen des Austauschs fest. Welches Modul an der Gast-Uni entspricht wie vielen Punkten in Zürich? Wie werden die Noten in der Leistungsübersicht ausgewiesen? Diese Mühen brachten zu oft zu wenig Ertrag ein.

Vertragsbrüche

Das zeigen die Resultate einer Studie, die das Erasmus Student Network (ESN) im Oktober veröffentlichte. Von den 228 Teilnehmenden von 14 Schweizer Hochschulen erhielten 34 Prozent nach ihrem Austauschaufenthalt weniger Credits als zuvor im LA abgemacht. Im Klartext: Die Versprechen, die den Studierenden vertraglich zugesichert worden waren, wurden in mehr als einem Drittel der Fälle gebrochen. Die Uni Zürich steht mit 36 Prozent gar noch schlechter da als die Schweizer Durchschnittsuni. Der europäische Schnitt liegt bei 24 Prozent.

Das LA, das solche Fällen hätte vorbeugen sollen, wurde immer wieder nicht eingehalten. Es hatte den Status eines netten Hilfsmittels, nicht eines bindenden Vetrags. «Es geschah viel zu oft, dass Studierende in ihrem Erasmus-Aufenthalt die im LA fixierten Module bestanden und dann die Punkte doch nicht kriegten», sagt denn auch Julia Svozil. Die 25-Jährige war bei der ESN-Studie für die Erhebung der Schweizer Daten verantwortlich. «Die Erasmus-Verantwortlichen der Institute hatten die LAs unterschrieben, einflussreiche Professoren setzten sich später darüber hinweg und verweigerten die Anrechnung.»

Konfrontiert mit den ernüchternden Ergebnissen der Studie wissen alle angefragten Institute nichts von Fällen, wie Svozil sie skizziert. Der Tenor: nicht bei uns. Den Schaden müssen andere verursacht haben. Und seit Sommer könne eh nichts mehr schief gehen. Seit Sommer 2011 ist die Schweiz Vollmitglied beim Erasmus-Programm. Damit wurde der Abschluss eines LA für jeden Programmteilnehmer Pflicht.

Neues Vehikel

Leitplanken schaffen Klarheit und Routine. In den Instituten ist klar, welche Vorlesungen durch Module im Ausland substituierbar sind. Der Haken: Das EU-Formular ist viel zu knapp gehalten. Wer darauf Details zur Um- und Anrechnung festhalten will, findet keinen Platz.

Mehrere Zürcher Institute bieten ihren Studierenden deswegen ein weiteres Vehikel: Eine Anrechnungsvereinbarung soll alle Kleinigkeiten, Unwägbarkeiten, Wenns und Abers regeln, für die das LA zu knapp gehalten ist. ◊