Schon in der letzten Semesterwoche dampfen die Köpfe. Philip Schaufelberger

Zu früh geprüft

Prüfungen in der letzten Semesterwoche sind mittlerweile Alltag. Der Unmut der Studierenden wächst.

23. November 2011

Jasmin ist verzweifelt: «Ich wusste, dass mein Studium nicht locker wird. Doch das finde ich mehr als übertrieben.» Seit Mitte dieses Semesters büffelt die Erstsemestrige für ihre Assessementprüfungen an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (WWF) der Uni. Sechs solche muss sie ablegen, alle finden in der letzten Semesterwoche innerhalb von vier Tagen statt. «Wieso können die Profs die Tests nicht ein paar Wochen nach Semesterschluss machen? Das würde sehr viel weniger Stress bedeuten», meint Jasmin. «Schliesslich sind die Semesterferien doch auch da, um auf Prüfungen zu lernen.» Der Umstand, dass Prüfungen ins Semester verlagert werden, wird für immer mehr Studierende zum Problem.

Klare Tendenz

An der Uni sind die einzelnen Fakultäten für die Termine der Prüfungen verantwortlich. Diese werden vom Dekanat festgelegt. Dabei setzt sich seit einigen Semestern vermehrt die Tendenz durch, die Prüfungen ins Semester und Abgabetermine für Arbeiten immer weiter nach vorne zu verlegen. So auch am Rechtswissenschaftlichen Institut, am Romanischen und Deutschen Seminar.

Verschiedene Begründungen

Dort müssen dieses Semester einige Seminararbeiten bereits am 30. Dezember eingereicht werden. Ob unter einem solchen Zeitdruck ein vernünftiges Resultat erzielt werden kann, wird von manchen Betroffenen bezweifelt. Gerade wenn man neben dem Studium einem Nebenjob nachgeht, ist es nicht leicht, während des Semesters Zeit für schriftliche Arbeiten zu finden. Vielfach wird diese Vorverlegung von den Fakultäten mit einem erhöhten Mobilitätswillen der Studierenden begründet: Wer die Leistungsnachweise früher absolviere, könne sich früher um sein Auslandssemester kümmern. Zudem wolle man die Notenabgabetermine, und somit die Prüfungsdaten, so anpassen, dass Studierende den Bachelor- oder Masterabschluss in der einzuhaltenden Frist problemlos vollenden können.

Auch Franziska Föllmi, Geschäftsführerin der WWF, sieht in der Vorverschiebung kein Problem. «Die Bedingungen sind für alle dieselben. Und die hohe Erfolgsquote nach der Assessmentstufe zeigt, dass die motivierten und geeigneten Studierenden die Assessmentstufe auch bestehen», so Föllmi. Es sei sogar von Vorteil für die Erstsemestrigen, alles früh abzuschliessen. Denn je früher die Noten feststünden, desto eher könnten die Studierenden entscheiden, ob Wirtschaft das Richtige für sie sei.

Die flexiblere Lösung

An der ETH werden obligatorische Sessionsprüfungen im Bachelor nicht von den jeweiligen Departementen, sondern von einer zentralen Prüfungsplanstelle festgesetzt. Und zwar in die Semesterferien. So finden dieses Semester die Prüfungen ab dem 23. Januar 2012, also in der fünften Ferienwoche, statt.

Doch die ETH lässt reisefreudige Studierende nicht im Stich. «Möchte ein Studierender eine Prüfung vorverlegen, kann er sich an unsere Mobilitätsstelle wenden», sagt Saša Milanovic von der Prüfungsplanstelle an der ETH. Wer also aus triftigen Gründen während der Prüfungssession nicht anwesend sein kann, hat die Möglichkeit, ein Gesuch um Vorverschiebung zu stellen. Sind die betreffenden Dozierenden mit dieser Verschiebung einverstanden, werden die Gesuche bewilligt. Die Prüfungsorganisation obliegt dann den Dozierenden.

Kompromiss mit den Studierenden

Dass es auch an der Uni anders geht, zeigt sich am Rechtswissenschaftlichen Institut (RWI). Dort werden die BA-Prüfungen ab dem Frühjahrssemster 2012 wieder in den Semesterferien durchgeführt. Das gibt den Studierenden die Möglichkeit, im Sommer zwei Wochen mehr zu lernen.

Diese Umstellung erfolgte auf Initiative einer Studentin. Sie begann im Herbstsemester 2008 Unterschriften zu sammeln. Als sich herausstellte, dass die Angelegenheit unter den Studierenden tatsächlich ein Thema ist, wurde die Studentin vom Fachverein Jus bei der Unterschriftensammlung unterstützt. Moritz Schmid, Präsident des FV Jus, bestätigt: «Der Fachverein hat die Anliegen der Studierenden begründet dem Dekanat vorgelegt und beschrieben, wie die Situation verbessert werden kann. Daraufhin hat das Dekanat entschieden, die zwei Wochen Lernzeit vor der Prüfungssession wieder einzuführen.»

Für Jasmin ist klar: «Hat man in den Semesterferien Zeit, sich auf die Prüfungen vorzubereiten, macht man eine bessere Note. Die Chance, den Stoff zu verstehen, ist dann ganz sicher grösser.»