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Duell: Demokratie

Von sinkenden Dampfern und Patagonischen Dampfschiffenten.

Corsin Zander (Dafür) und Johannes Luther (Dagegen)
20. Oktober 2011

Dafür

Was unterscheidet den Menschen von der Patagonischen Dampfschiffente? Richtig. Die Demokratie.

Woran erkennt man das? Beim Essen zum Beispiel. Ist bei den Patagonischen Dampfschiffenten die Nahrung knapp, reissen sich diese asozialen Tiere um jeden Brotkrümel, den Spaziergänger ins Wasser werfen. Den Kampf gewinnt der Stärkste. Und der kann so richtig stark sein. Die massig gebauten Vögel kommen auf dem Wasser besonders schnell voran, weil sie ihre Flügel zur Hilfe nehmen – also die Ellbogen einsetzen.

Die Ellbogen werden zwar auch bei den Menschen kräftig eingesetzt, doch wenn es hart auf hart kommt, dann sind sie nur so stark wie ihr schwächstes Glied und zeigen sich solidarisch – so zumindest die Demokratie in ihrer Theorie.

Bei den Patagonischen Dampfschiffenten gibt es massive Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So ist das Männchen bei diesen Tieren durchschnittlich zwei Kilogramm schwerer als das Weiblein. Wie soll letzteres denn noch an die Brotkrümel kommen?

Natürlich sind auch in demokratischen Staaten die Geschlechterunterschiede teilweise beträchtlich, aber wenigstens haben beide die gleichen Rechte – so zumindest in der Schweiz seit 1971 (Appenzell Innerrhoden: 1990).

Die Dampfschiffenten verteidigen äusserst agressiv ihr Brutrevier. Doch auch ausserhalb der Fortpflanzungszeit zeigen die monotypischen Vogelarten ein äusserst territoriales Verhalten. Natürlich gibt es auch in menschlichen Demokratien Kräfte, die sich für ein entsprechendes Verhalten einsetzen. Doch dieses Verhalten ist erstens nicht so stark ausgeprägt und zweitens besteht die Möglichkeit, es zu ändern. Eine Möglichkeit, welche die Patagonische Dampfschiffente nicht hat.

Auch menschliche Gesellschaften haben erhebliche Missstände. Doch sie können etwas dagegen unternehmen. Die Patagonische Dampfschiffente kann das nicht. Dies zeigt das letzte Beispiel. Lange Zeit kannten die Entenvögel, die in Südamerika leben, keine natürlichen Feinde. Also haben sich im Laufe der Evolution ihre Flügel zurückgebildet. Dies wird heute zum echten Problem, denn so werden sie zur leichten Beute von eingeschleppten Raubtieren.

In einer Demokratie kann man zusammenstehen und sich gegen äussere Gefahren wehren.

Dagegen

Demokratie: die beste Staatsform, die es gibt? Wohl kaum! Demokratie: ein Garant für Stabilität, Wohlstand und Toleranz? Träumt weiter! Demokratie: die Herrschaft für das Volk durch das Volk? Nie im Leben!

Demokratie ist wie ein Ozeandampfer, der ungebremst auf einen Eisberg zusteuert: Meist sieht die Besatzung den Eisberg erst im letzten Moment und es ist fast unmöglich, ihn nicht zu rammen, da das Schiff zu gross und zu langsam ist. Wenn der Dampfer dann am Sinken ist, kann sich die Mannschaft nur noch darauf einigen, wer in die Rettungsboote darf und wer nicht. Dabei ist nur eines klar: Die wenigsten werden das Schiff lebend verlassen.

Ein demokratisch geführter Staat ist vollkommen ungeeignet, um schnell auf plötzlich auftauchende Probleme zu reagieren. Das kann wertvolle Zeit kosten. Beispiel Euro-Krise: Bis sich alle darauf geeinigt haben, wie die armen, verschüchterten Märkte zu beruhigen sind, ist der Euro schon flöten gegangen.

Demokratien können keine dauerhafte Stabilität bieten. Auch demokratische Staaten führen Kriege, versinken im Chaos oder bringen Diktatoren hervor (siehe so ziemlich alle Staaten, die in den Genuss US-amerikanischer Demokratie-Importe kommen durften). Und was ist mit dem beschworenen Primat von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit? Fehlanzeige. Auch in freiheitlichen Demokratien gibt es Individuen, denen Alteingesessene nicht die gleichen Rechte einräumen wollen wie den anderen.

Das ultimative Argument gegen Demokratie liegt jedoch im Volk selbst. Das Problem, wenn alle mitbestimmen dürfen: Wir sind im Grunde genommen alles Idioten. Wenn ich wählen gehe und dann das Abstimmungsergebnis akzeptiere, nehme ich damit auch die Tatsache hin, dass ich die Entscheidung aller wahlberechtigten Deppen in meinem Land mittrage. «Das grösste Argument gegen die Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler», sagte einst Winston Churchill. Dieser, übrigens demokratisch gewählte, Mann bringt es auf den Punkt. Demokratie, Herrschaft des Volkes. In Anbetracht dessen, was in unseren Breitengraden mehrheitlich herumläuft, wäre das Wort «Idiokratie» wohl besser angebracht. Das führt gezwungenermassen in den Abgrund. Darum gibt es für unsere Gesellschaft nur eine Lösung: Alle Macht den Besten, keine Macht dem Pöbel!