Chronische Schlafstörungen behinderten Tom in seinem Studium. Tomas Fryscak

Wirtschaftsfakultät verliert Prozess

19. Oktober 2011

Ein Student geht vors Zürcher Verwaltungsgericht, um gegen die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät zu klagen, bekommt Recht und hat am Ende doch vieles verloren

Tom* studierte Wirtschaft an der Uni Zürich, erlangte jedoch während vier Semestern Studienzeit kaum ECTS-Punkte. Krankheitshalber hatte er sich wiederholt von den Prüfungen entschuldigen lassen. Die Universität verlängerte daraufhin seine Assessmentstufe um zwei Semester, damit er die geforderten Leistungen dennoch erreichen könnte. Doch auch in dieser Zeit war Tom aus gesundheitlichen Gründen nicht fähig, die Prüfungen zu absolvieren.

Zweifel und Verzweiflung

Als er sich erneut mit einem ärztlichen Zeugnis von den Prüfungen abmelden wollte, ruft ihn Ljubica Lindov an: Was er denn für eine Krankheit habe, fragt die Assistentin des damaligen Geschäftsleiters des Dekanats. Man könne seinen Prüfungsaufschub sonst nicht bewilligen. Tom wusste, dass er eigentlich nicht dazu verpflichtet gewesen wäre, seine Krankheit offenzulegen, sagte der Assistentin aber dennoch, dass er an chronisch wiederkehrenden Schlafstörungen leide.

Um sich dem Misstrauen, das ihm daraufhin von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (WWF) entgegengebracht wurde, zu entziehen und um eine umfassendere Lösung statt dem Vorweisen einzelner Arztzeugnisse zu finden, suchte er die Beratungsstelle Studium und Behinderung auf. Zuständig war Olga Meier-Popa, die ihm auf Empfehlung des Dekanats der WWF vorschlug, einen für ihn angepassten Studiumsplan auszuarbeiten und die Einhaltung desselben mit einem Agreement zu verankern. Tom konnte jedoch auch diesen Studiumsplan nicht einhalten – wiederum musste er sich wegen ärztlich bescheinigten Schlafstörungen von den Prüfungen abmelden.

Bis vors Gericht

Folglich beantragte Tom eine Beurlaubung vom Studium, doch die WWF wies den Antrag zurück. Das Dekanat liess verlauten, der Student habe sich mit der Nichteinhaltung des Studiumplans quasi selbst exmatrikuliert.

Tom war entrüstet. Er fühlte sich ungerecht behandelt und zweifelte die Rechtskraft des Agreements sowie die Rückweisung des Beurlaubungsgesuchs vor dem Verwaltungsgericht an. Das Gericht bestätigte, dass am Stundenplan und dem Agreement nicht festgehalten werden könne, weil der Student ein Arztzeugnis vorweisen könne, das ihn für arbeitsunfähig erkläre.

Ebenfalls bestätigte das Verwaltungsgericht die Kompetenzüberschreitung der Prüfungsdelegierten der WWF, Uschi Backes-Gellner, die über das Gesuch des Studenten um Beurlaubung verfügt hatte. Sie wäre von Amtes wegen dazu verpflichtet gewesen, das Gesuch an die Universitätsleitung weiterzuleiten, hat dies jedoch unterlassen. Dazu Stellung nehmen will sie der ZS gegenüber nicht. Letztlich wies das Gericht die Unileitung an, Toms Gesuch zu prüfen.

Gesundheit als Voraussetzung

Doch Tom wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Er wartete den Entscheid der Unileitung nicht ab und hat bereits ein Studium an einer anderen Universität, die er in der ZS nicht benannt haben will, aufgenommen.

Tom selbst sagt, seine Erkrankung sei keine Behinderung, sondern eine Beeinträchtigung. Weil er nicht schlafen könne, habe er länger, um die Leistung zu bringen, die ein Studium von ihm verlange. Dass Schlafprobleme eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen können, bestätigt auch Ulrich Frischknecht von der Psychologischen Beratungsstelle der Universität Zürich.

Schlaf sei etwas Komplexes und etwas, das man nicht erzwingen könne – wie Verliebtheit, sagt Frischknecht. Die Ursachen für Schlafstörungen sind nicht leicht aufzuklären und bedürfen einer differenzierten Behandlung.

Das sagt auch Tom, der mehrere Ärzte und drei Spezialkliniken ich der Schweiz aufgesucht hatte, ohne eine Heilung erzielen zu können. «Um studieren zu können, braucht es verschiedene Voraussetzungen», so Frischknecht, «eine davon ist Gesundheit im Sinne von Abwesenheit schwerer Störungen. Daran kann auch die Universität nichts ändern.» Manchmal kann auch ein gewonnener Prozess nicht über viel Verlorenes hinwegtäuschen; Geld, ECTS-Punkte und Zeit hat Tom dennoch verloren. Und Gesundheit lässt sich nun einmal vor Gericht nicht erwirken.

* Name der Redaktion bekannt