Die SUZ ist nach 30 Jahren wiederauferstanden. Samuel Nussbaum

Studierende erkämpfen die Macht zurück

Der Kantonsrat entmachtete 1977 die Studierenden der Uni Zürich. Die verfasste Körperschaft wurde beerdigt. Nun ist sie wie Phönix aus der Asche auferstanden.

21. September 2011

Martin Roeck hat Historisches vollbracht. Seit über 30 Jahren hat es an der Uni Zürich keine verfasste Studierendenschaft mehr gegeben. Mehrere Versuche, sie wiederzubeleben, sind gescheitert. Nun hat es der Studierendenrat geschafft. Sein Präsident bleibt aber bescheiden: «Den Löwenanteil an diesem Erfolg hatten meine Vorgängerinnen und die Arbeitsgruppe, die sich im Projekt SUZ engagiert hatten.» Dennoch wird er als derjenige in die Geschichte eingehen, unter dem die SUZ wieder installiert wurde.

Der Tod der SUZ

SUZ – diese drei Buchstaben stehen für Studentenschaft der Universität Zürich. Und die hat eine lange, abwechslungsreiche Geschichte hinter sich.

Bis 1969 waren alle mit der 1919 gegründeten, bürgerlich geprägten SUZ zufrieden. Dann dominiert erstmals eine linke Mehrheit. Als diese 1971 die «Antikapitalistische und antifaschistische Aktionswoche» organisiert und Fahnen mit Marx und Engels im Lichthof aufhängt, hängt der Haussegen in der Uni schief. Mehrere Studierende wollen aus der SUZ austreten und sie nicht länger mit ihren Studiengebühren mitfinanzieren. Doch der Austritt aus der Zwangskörperschaft ist ihnen nicht erlaubt.

Eine sehr viel grössere Gefahr als protestierende bürgerliche Studierende stellte der eben ins Amt gekommene Bildungsdirektor Alfred Gilgen dar. Er ging bei jeder Gelegenheit brachial gegen die Studentenschaft vor. Vier Jahre lang brodelte ein Konflikt zwischen den Studierenden und Gilgen. Als die SUZ 1975 zum Ende des Vietnamkriegs mit «solidarischen Grüssen» ein Telegramm an die revolutionären Studierenden Nordvietnams schickte, hatte Gilgen endgültig genug. Er erklärte die SUZ 1977 für illegal und löste sie auf.

Die SUZ war tot.

Sogar Gilgen ist dafür

«Es war wichtig für uns, die Geschichte zu kennen und genau zu analysieren», sagt Martin Roeck heute rückblickend. «Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollten, mussten wir zwei Dinge klarstellen: Wir äussern uns zu keinen allgemeinpolitischen Themen, und ein Austritt aus der SUZ muss für jeden Studierenden jederzeit möglich sein.»

Dem stimmt auch Altregierungsrat Alfred Gilgen zu. Gegenüber der ZS sagt er: «Die SUZ, über die heute abgestimmt wurde, ist ziemlich genau dasselbe, was der Erziehungsrat 1978 beschlossen hat.» Eine verfasste Körperschaft sei als Ansprechpartner für die Uni und die Behörden die beste Lösung, betont er. Versöhnliche Töne vom ehemaligen Bildungsdirektor, der bis 1995 gegen jede Bestrebung, wieder eine SUZ einzurichten, gekämpft hatte.

Wenn es sogar gelingt, Gilgen mit ins Boot zu holen, sollte einer SUZ nichts mehr im Wege stehen. Und tatsächlich fiel die Abstimmung im Kantonsrat mit 99 zu 72 Stimmen klar aus. «Es war für uns entscheidend, dass wir Mitte-Parteien wie die BDP auf unsere Seite ziehen konnten», sagt Roeck. Am meisten Probleme habe ihnen die SVP bereitet.

An deren Spitze wehrt sich Matthias Hauser vehement gegen eine verfasste Körperschaft. Hauser bemängelt das «Demokratiedefizit» der SUZ. Er fürchtet, dass jemand, der austritt, «sein aktives, vielleicht auch passives Stimm- und Wahlrecht» verliert. Martin Roeck widerspricht: «Alle Studierenden, egal, ob sie Mitglied sind oder nicht, haben das Recht, ein Referendum oder eine Initiative zu ergreifen.» Die SUZ werde auch von allen Studierenden gewählt werden.

«Attraktive Dienstleistungen»

Auf die kommenden StuRa-Wahlen im Herbst legt Roeck grossen Wert. In den letzten Jahren lag die Beteiligung bei den Wahlen bei maximal neun Prozent. «Vielleicht haben die Studierenden nicht erkannt, wie viel wir für sie tun können», vermutet Roeck.

Dies solle sich nun mit der SUZ ändern. Mit hilfreichen Dienstleistungen soll der Alltag der Studierenden erleichtert werden: «Ich denke da beispielsweise an einen Veloverleih zwischen Uni Zentrum und Irchel oder an mehr Kästli, welche die Studierenden nutzen können.» Die SUZ strebe aber auch kleinere Erleichterungen an wie Rabatte für ihre Mitglieder. SVP-Kantonsrat Matthias Hauser moniert, dass «all diese Dienstleistungen auch ohne die SUZ möglich wären». In der Tat werden heute bereits viele Dienstleistungen von der Zentralstelle der Uni Zürich angeboten. Doch den Befürwortern einer verfassten Studentenschaft geht es auch um die finanzielle Unabhängigkeit von der Uni.

Roeck rechnet mit 60 Prozent der Studierenden, die ab dem Herbst 2012 ihren Mitgliederbeitrag von 13 Franken bezahlen. Damit könnte die SUZ ihr jährliches Budget um ein Dreifaches steigern. «Wenn wir dann mit zahlreichen attraktiven Dienstleistungen an der Uni präsent sind, entscheiden sich noch mehr dazu, Mitglied zu werden.»

Mehr Macht mit unabhängiger SUZ

Wenn ein grosser Teil der Studierenden hinter der SUZ steht, kann die Studentenschaft auch mehr Druck auf die Universitätsleitung ausüben. Der StuRa sei bisher zu abhängig von der Uni gewesen, nicht nur finanziell, sondern auch, weil er nicht zeichnungsberechtigt war.

Zwar werden die Studierenden in den einzelnen Kommissionen ernst genommen, sagt Martin Roeck. Doch in bedeutenden Gremien wie der Erweiterten Universitätsleitung (EUL), dem Unirat und Senat als Gremien sei die Studentenschaft untervertreten.

Das allgemeinpolitische Mandat

Roeck betont jedoch noch einmal ausdrücklich, dass die SUZ ihre wiedererlangte Macht nur in der Unipolitik einsetzen soll. Man wolle sich nicht zu allgemeinpolitischen Dingen äussern. Dies ist auch für Alfred Gilgen der wichtigste Punkt: «Ich erteile keine Ratschläge. Aber eins ist klar: Wenn die SUZ lange bestehen und ernst genommen werden will, muss sie auf das absurde allgemeinpolitische Mandat verzichten und sich nur zu Anliegen schweizerischer Studenten äussern.»

Doch darum kümmert sich Martin Roeck noch nicht: «Zuerst einmal müssen wir unsere Hausaufgaben machen und die Statuten so ausarbeiten, dass sie vom Unirat auch abgenommen werden.» Martin Roeck möchte jetzt den letzten Schritt zur SUZ machen und das Projekt erfolgreich auf den Weg bringen. Gelingt ihm dies, wird er im Herbst 2012 tatsächlich als derjenige in die Geschichte eingehen, dem es gelungen ist, an der Uni Zürich nach über 30 Jahren wieder eine verfasste Körperschaft zu installieren. Wie soll sie denn heissen?

Die Abkürzung SUZ ist bereits an das Soziologische Institut der Uni Zürich vergeben. Am wahrscheinlichsten ist es, dass die neue verfasste Körperschaft VSUZH heissen wird – Verband der Studierenden der Uni Zürich.