Karte rein, Geld raus? So einfach ist es nicht, Stipendien zu beziehen. Patrice Siegrist

Keine Almosen

Stipendien ermöglichen vielen überhaupt erst das Studieren. Doch sie sind mit einem enormen bürokratischen Aufwand verbunden.

21. September 2011

Arjona* bangt jedes Semester um ihr Geld. Obwohl ihr Vater als Bodenleger arbeitet und ihre Mutter als Raumpflegerin jobbt, kommt nicht genügend Geld zusammen, um Arjona und ihre drei Geschwister ausreichend zu versorgen.Trotzdem ist es ihr möglich, Psychologie zu studieren – dank einem Stipendium der Stadt Zürich.

Damit ist Arjona kein Einzelfall. Etwa acht Prozent der Familien sind auf Unterstützung angewiesen. Die Ausbildungs- und Lebenskosten in der Schweiz betragen für Studierende pro Jahr durchschnittlich 24'000 Franken.

Bei Arjona hilft der Staat. «Seit dem Gymnasium unterstützt mich der Kanton mit jährlich etwas über 10'000 Franken.» Das reiche für das Studium und alle Nebenkosten, sagt die 23-jährige Studentin. «Um mir meine Freizeit und Ferien zu finanzieren, arbeite ich nebenbei noch Teilzeit – so viel, wie das Studium zulässt», erzählt Arjona. Je nach dem, wie viel sie arbeitet, wird die Höhe der Stipendien angepasst.

«Dieses Jahr könnte es knapp werden»

Brigitte Ortega von der Studienfinanzierung der Uni Zürich erklärt: «Das Stipendiengesuch muss jedes Jahr eingereicht werden.» Und warnt: «Gerade beim ersten Mal ist es zeitaufwändig. Auch wenn die Formulare korrekt ausgefüllt sind, beträgt die Wartezeit bis zu vier Monate.»

Arjona ist bisher nie in ernsthafte finanzielle Engpässe gekommen. Im kommenden Semester könnte es aber knapp werden. In ihrem Studium hat sie das Nebenfach gewechselt, nun braucht sie länger als die vorgegebene Studienzeit.

«Die maximale Semesteranzahl unterscheidet sich je nach Wohnsitz», sagt Ortega. Ohnehin gelten in jedem Kanton unterschiedliche Regelungen. Nicht nur die Einkommensgrenze, die zum Unterstützungsbezug berechtigt, sondern auch die Höhe der ausbezahlten Stipendien ist unterschiedlich. Dies kann zu Komplikationen führen, wenn sich die Uni nicht im elterlichen Wohnsitzkanton befindet.

So wird vernachlässigt, dass beispielsweise die Lebenskosten in der Stadt Zürich höher sind als anderswo. Manche Kantone bieten ausserdem nur noch Darlehen an, die, im Gegensatz zu Stipendien, zurückbezahlt werden müssen. Während des Studiums ist dies jedoch zinsfrei möglich.

Arjona möchte sich aber nicht beklagen: «Zürich ist ein sozialer Kanton, um das Studium musste ich mir nie Sorgen machen. Aber klar, ein luxuriöses Leben führe ich nicht.» Dies bestätigt auch Ortega: «Stipendien sind keine Almosen, sondern ein Instrument zur Sicherung der Chancengleichheit.»

Wer Stipendien beziehe, müsse sich durchaus auf ein einfacheres Leben einstellen.

Arjona sieht es als ein Privileg, studieren zu können, und sie nimmt es auch entsprechend ernst: «Bisher habe ich alle wichtigen Prüfungen an der Uni bestanden. Wenn ich weiterhin finanziell unterstützt werde, kann ich das Studium auch auf jeden Fall abschliessen.»

*Name der Redaktion bekannt.