Grenzverschiebung

Anlässlich der Nationalratswahlen 2011 lädt die ZS Kandidatinnen und Kandidaten auf einen Zmittag ein. Teil 3: Nadja Waibel von der CVP

5. Mai 2011

Der Papst warnte zur Eröffnung der Karwoche vor allzu viel Technologie. Diese könne für ungute Zwecke genutzt werden und habe uns eben erst die Grenzen der Menschheit einmal mehr spüren lassen. Religionen sprechen bekanntlich sehr gerne metaphorisch. Und ich frage mich, was die päpstliche Botschaft nun konkret für meine Velowelt bedeutet.

Immerhin fahre auch ich manchmal mit Luisa, meiner treuen Drahteselin, durch die Stadt und bewundere all die Hightech-Fahrräder mit x Gängen, doppelter Federung und automatischer Lampe. Der Dynamo schaltet sich bei Dunkelheit selber ein, und manch stolzer Radler schaukelt sich dank der Federung gemütlich durch den Verkehr. Wer dann mit dem Velo gar bis zur Uni Oerlikon den Berg hoch fährt, ist im Olymp der Zürcher Velofahrer angekommen. Er hat die Grenze der Menschheit so gesehen erreicht. Sogar meine Oma kann das jetzt mit ihrem Elektrovelo. Wir können alle Götter sein. Es ist nur eine Frage der richtigen Technologie – oder eben der Grenzverschiebung.

Entgegen der päpstlichen Botschaft benutzen Velofahrer diese technologischen Errungenschaften gewiss nicht für ungute Zwecke. Ich zumindest habe noch nie erlebt, dass sich ein Velofahrer mit dem Kettenschloss selbst geisselt. Das kenn ich so vor allem vom Christentum und der Züchtigung der Lust. Velofahrer kennen auch keine Territorialansprüche auf gelobtes Land. Und bestimmt käme kein Velofahrer auf die Idee, einem anderen zu raten, den Gummi-Pneu wegzulassen, weil es für das Heil des Fahrrads besser sei. Jeder weiss, wie wichtig der Gummi ist. Aber wer weiss, was man mit einer solchen technologischen Errungenschaft alles anstellen könnte.

Ich weiss nicht, ob ich die päpstliche Botschaft wirklich richtig verstehe. Aber vielleicht werde ich, wenn ich die Uni abgeschlossen habe, eine Fahrradtour nach Vatikanstadt machen und um eine Audienz beim Papst bitten. Oder ich schreib ihm eine E-Mail. Denn wie die NZZ schreibt, sei der Papst ein fleissiger E-Mail-Schreiber und Internet-User.