Da kauf ich ein, da nicht

Eine der umstrittensten Fragen der Schweizerinnen und Schweizer beantwortet eine Berlinerin.

23. März 2011

Migros - Das Mauerblümchen

Zugegeben, ich komme aus Berlin, und hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, ich hätte «Migros» für einen Mikroskopie-Kasten von KOSMOS gehalten. Zwei Jahre und etliche Migros-Einkäufe später bin ich weiser und dem rauhen Charme von Migros verfallen. Kein Geprotze und Geprunke, kein Bling-Bling und Reiss-mich-auf-Gehabe, sondern nur Qualität zu fairen Preisen. Ganz in calvinistischer Manier ist beispielsweise die Verpackung des M-Classic Joghurts «Ahornsirup stichfest» lediglich mit einem Ahornblatt versehen. Auch die Suppen von Anna’s Best erinnern in ihrem durchsichtigen Plastikbeutel eher an einen Infusionsbeutel als an Grossmutters Suppe. Bei Migros zählen die inneren Werte und nicht der äussere Schein.

Migros übernimmt gar einen erzieherischen Auftrag: Alkohol und Tabakwaren führt sie nicht in ihren Regalen. So regt sie mich gar zu einer gesunden und abstinenten Lebensweise an. Der Einkauf bei Migros gibt mir und meinem Geldbeutel ein gutes Gefühl. Schon jetzt freue ich mich auf den nächsten M-Budget-Energy-Drink, der mich aus einem Nachmittagstief rausholt oder frühmorgens in der Uni aufnahmebereit macht.

Coop - Die schöne Luxusmaus

Wenn ich an Coop und Migros als zwei Schwestern denke, so ist Migros die Unscheinbare, Introvertierte und Vernünftigere der beiden. Coop hingegen ist die Schöne, Eitle und Extrovertierte. Sie trägt Kreolen-Ohrringe, kaut stets Kaugummi, gibt Shoppen auf Fragebögen als ihr Hobby an und würde für Luxusartikel sterben. Die schöne Luxusmaus und das Mauerblümchen mit dem wachen Verstand. Der Einkauf bei Coop ist für eine eingefleischte Migros-Einkäuferin wie mich wie ein Kurztrip nach Disneyland. Überall lauern süsse Verlockungen, Magazine mit dem neuesten Promiklatsch stehen griffbereit, und auch für die Durstigen unter uns ist das Angebot an alkoholischen Getränken schier unüberschaubar. Es lebe der Konsum und der Materialismus! Warum nur fünf verschiedene Zahnpastamarken, wenn es auch 20 sein können? In einem Punkt muss man Coop allerdings absolutes Können zugestehen: in Produktdesign. Noch nie habe ich einen Supermarkt mit derart stylish verpackten Produkten gesehen. Der Speichelfluss wird angeregt, die Kauflust stimuliert, und würde ich nicht in einer Partnerschaft mit Migros leben, wahrscheinlich würde ich mich zu einem Kauf hinreissen lassen.