Editorial #1/11

Editorial

25. Februar 2011

An einer Podiumsdiskussion am Unijubiläum von 2008 hörte ich zum ersten Mal von ihm. Rektor Weder antwortete auf die Frage nach den ewigen Studenten, dass es einen Adligen gebe, der seit Jahrzehnten an der Uni umhertingle. Mehr wusste Weder nicht über ihn, als ich nachhakte. Ausser dass er im Rondell des Hauptgebäudes zu sitzen pflege. Die ZS leitete eine Fahndung ein. Im Schichtbetrieb observierten wir das Rondell (oder ich schaute mal kurz vorbei, ich weiss es nicht mehr genau). Doch der «Graf», wie wir ihn irrtümlich nannten, blieb ein Gerücht.

Alles änderte sich, als wir im Mai 2010 den «Grafen» in der ZS baten, uns eine Audienz zu gewähren. Der Gesuchte meldete sich zwar nicht selbst, dafür aber ein heimwehtrunkener Mathematikprofessor aus Arizona, der einst in Zürich studiert hatte und sich an «schwankende Gestalten» erinnerte, darunter eine Jugoslawin, die den halben Hausrat in die Vorlesungen mitnahm und behauptete, unter den Eskimos befänden sich viele Rätoromanen; eine als Krankenschwester verkleidete und Zigarettenstummel einsammelnde Frau im Mittellateinischen Seminar – und eben den Grafen, der eigentlich ein Baron ist: Meinhard von Seckendorff. Bei den Altsprachlern, wo er zuletzt gesehen wurde, hiess es aber, er sei verschwunden. Im Hotel, wo er zu wohnen pflegte, sagte man, er sei abgereist. Ich fand den Baron schliesslich. Auf seinem Roten Schloss. Den Rest lest ihr ab Seite 28.

Auch ich verschwinde. Nicht aus der Uni, nur aus der ZS. Fertig «typischer Bedetti-Journalismus», wie sich mein treuer Leser P. einst ereiferte, womit er einen besonderen Platz in meinem Herzen auf sicher hat. Die Zeit ist reif für typischen Ritter-, Rizzi- und Zermin-Journalismus. Das sind nämlich die neuen ZSler.

Tschou!

Joel Bedetti, ZS-Urgestein