Luxus und Armut in Shanghai. Clemens Dittrich

Made with China

Clemens Dittrich verbrachte ein Austauschsemester an der Fudan-Universität in Shanghai. Ein Semester zwischen Pionierarbeit und sozialen Problemen.

24. Februar 2011

China ist ein Land der Gegensätze: In den Dörfern herrscht bittere Armut. Die Familien bauen ihre Häuser noch stockwerkweise, und bis sie fertig sind, führen die Treppen ins Nichts. Im Winter kann das schon mal zugig werden.

Auf der anderen Seite sind erste Anzeichen des wirtschaftlichen Erfolgs sichtbar. Verantwortlich dafür ist eine neue Elite. Das sind jene Söhne und Töchter, die mit zehn Jahren das Dorf verliessen, um in der Stadt zur Schule zu gehen. Anschliessend haben sie an einer der C9-League-Universitäten studiert, heute besetzen heute sie Führungspositionen. Sie sind stolz auf die westlichen Autos, Notebooks und Handys, die sie sich leisten können.

Campus als Kleinstadt

Mein Freund «Weibiaowu» alias Wilson gehört zu dieser Elite. Vor drei Jahren habe ich ihn während eines Praktikums in China kennengelernt. Er war damals mein «Aufpasser» und unterstützte mich im chinesischen Alltag. Heute ist er Deputy General Manager einer westlichen Tochtergesellschaft in Shanghai. Die Fudan, so sagt er, ist eine der Eliteuniversitäten in China. Nur Jahrgangsbesten schaffen es dorthin.

Der Campus gleicht einer kleineren Stadt mit Mensa, Sportanlagen und einem Hotel. An dieser Uni habe ich mein letztes Semester verbracht. Ich war bei Weitem nicht der einzige Austauschstudent. Neben der Universität Zürich haben weitere renommirte Unis Kooperationen mit der Fudan. Die Vorlesungen des «International MBA»-Programms unterscheiden sich in Anspruch, Zeitaufwand und Faszination enorm. Einen der interessantesten Kurse unterrichtet ein chinesischer Professor mit 20 Jahren Berufserfahrung in Amerika. «When the water is not clear, there are a lot of fishes», so seine Einschätzung zum gegenwärtigen Potential in China. Oftmals steht das an der Uni Gelehrte im Widerspruch zum «sozialistischen Kapitalismus», den man in China offiziell proklamiert.

Wer das rasante Tempo in Shanghai einmal erlebt hat, weiss, wie schnell sich alles ändern kann. Der neue Slogan «Made with China», der das alte «Made in China» bald ersetzen soll, dürfte nicht zuletzt durch Unis wie die Fudan schnell Wirklichkeit werden.

Insgesamt war mein Auslandsemester ein guter Mix. Es war locker, zugleich aber auch anspruchsvoll. Mit chinesischen Mitstudenten auszugehen, hat viel Spass gemacht. Sozial den Anschluss zu finden, war aber schwieriger als gedacht. Chinesische Studenten gehen selten aus, weil dies für sie sehr teuer ist.

Das höchste Gut ist die Familie

Zudem herrscht ein immenser Konkurrenzdruck. Wegen der chinesischen Ein-Kind-Politik ruhen auf dem einzigen Kind alle Hoffnungen. Nicht nur finanziell wird das Äusserste investiert. Da die Familie in China das höchste Gut ist, spüren die Kinder, dass sie nicht versagen dürfen. Dieses strikte System spornt zu grossem Fleiss an. Querdenker sucht man hier vergeblich. Die Kooperationen der Fudan leisten Pionierarbeit. ◊