«Ich war völlig baff!»
Während einer Open-Book-Prüfung verbietet die Aufsicht das Benutzen von alten Prüfungen. Studierende protestieren, denn bisher schien dies erlaubt.
So etwas hat Isabel noch nie erlebt. Die Umweltwissenschafts-Studentin sitzt in der Prüfung «Technik der Problemlösung». Es ist eine Open-Book-Prüfung, Isabels Unterlagen sind sorgfältig ausgebreitet. Der Test ist bereits im Gange, als die Prüfungsaufsicht mit dem Studenten Benjamin ins Gespräch kommt. Unruhe kommt auf. Die Aufsicht gibt bekannt, dass alte Prüfungen als Unterlagen nicht zugelassen sind. «Ich war völlig baff, als Prüfungsaufseherin Barbara Schmied nach fünf Minuten dieses Verbot aussprach», sagt Isabel. Denn im Frühlingssemester 2010 habe sie die Prüfung schon einmal geschrieben, und dort seien diese zugelassen gewesen. Benjamin bestätigt dies: «Da es keine Musterlösungen gibt, löste ich zur Vorbereitung die Prüfung aus dem Jahr 2008 und nahm sie mit – wie im letzten Semester auch.»
Kein Gewohnheitsrecht
Davon wusste die Prüfungsaufsicht nichts. Barbara Schmied sagt, dass sie keine Ahnung gehabt hätte, dass eine alte Prüfung im Umlauf sei. Diese müsse rausgeschmuggelt worden sein. In einem Mail wendet sie sich an die Studierenden. Sie schreibt, dass kein Gewohnheitsrecht daraus abgeleitet werden könne, wenn in früheren Semestern alte Prüfungen benutzt wurden. Sie macht noch einmal klar, dass kommuniziert wurde, dass nur Unterlagen aus der Vorlesung, den Übungen und dem Skript zulässig sind. Die alte Prüfung zähle nicht dazu und sei daher illegal.
In einem anderen Raum absolvierten gleichzeitig die Agronomen den selben ersten Teil dieser Prüfung. Dort wurde das Verbot nicht ausgesprochen, die Prüfungen konnten benutzt werden. Isabel leitet daraus Unrecht ab.
Im Mail an die Studierenden reagiert Schmied auf die Vorwürfe: «Sollte sich im Prüfungsteil ‹Problemlösen im Rahmen von Projekten› die Notenverteilung der Umweltwissenschaften-Studierenden signifikant von derjenigen der Agronomen unterscheiden, so wird dies bei der definitiven Bewertung berücksichtigt.» Dies sei eine angemessene Reaktion auf die Geschehnisse. Es tue ihr leid, dass es dadurch für einige zu einer Stresssituation gekommen sei, bedauert Schmied.
Zufrieden zeigt sich Isabel mit dieser Argumentation nicht. Die Art und Weise, wie das Ganze von statten ging, passe ihr gar nicht. «Ich finde es widersprüchlich, da ich unter Open Book etwas anderes verstehe. Zudem hat das Verbot den Zeitdruck im zweiten Teil der Prüfung erhöht», sagt sie.
Schmied versichert, dass sie sich Gedanken zum zweiten Teil mache. Doch bevor die Auswertung vorliege und die Notenkonferenz stattgefunden habe, könne und wolle sie dazu nichts sagen.
Alte Prüfung recycelt
Dass Unterschiede in der Notenverteilung entstehen, scheint wahrscheinlich. Denn: «Diese Prüfung war derjenigen von 2008 sehr ähnlich», sagt Benjamin. Prüfungsaufseherin Schmied sei dies auch zu Ohren gekommen. Sie habe das aber nicht überprüft. Dies sei unglücklich und sollte nicht die Regel sein. ◊