Die Fronten zwischen Mike Birrer (links) und Maximilian Jaeger sind auch ein Jahr nach der Besetzung verhärtet. Patrice Siegrist

«Wir haben nie eine Antwort erhalten»

Ein Jahr ist die Besetzung her. Was Maximilian Jaeger, Delegierter des Rektors, und Mike Birrer von «unsereuni» über das letzte Jahr zu sagen haben.

24. November 2010

Herr Jaeger, Mike Birrer, an was erinnern Sie sich, wenn sie an die Besetzung zurückdenken?

Mike: Ich erinnere mich an eine Zeit voller Optimismus und Aktivität. Es war eine gute Zeit. Wir hatten den Drang, etwas zu verändern und die Grundlagen für einen breiten Widerstand zu legen.

Jaeger: Mein Bild ist diffus, ambivalent. Für uns resultierten viel Arbeit, Ärger und Frust darüber, dass wir nicht auf eine andere Weise miteinander umgehen konnten. Ich spürte eine gewisse Hilflosigkeit von Seiten der Studierenden, ihre teilweise sicher legitimen Anliegen durchzusetzen.

Politisch engagierte Studis können bereits heute Büros der Uni nutzen. Auch «unsereuni» wäre wenig im Weg gestanden, hätte sich die Bewegung als Verein organisiert.

Mike: Wir wählten aber bewusst eine andere Organisationsform. Wir stellten auch keine Repräsentanten. Diese Personen hätten erstens zu viel Definitionsmacht genossen. Zweitens war uns wichtiger, klare Inhalte zu haben, als den Medien ein scharfes Bild von uns zu präsentieren. Ausserdem hatten wir Angst vor rechtlichen Konsequenzen.

Jaeger: Eine Exmatrikulation von Exponenten der Gruppierung war nie ein Thema. Wir von der Unileitung müssen jedoch in jeder Angelegenheit wissen, welches unsere Ansprechpartner sind.

Wieso wurde zum Mittel der Besetzung gegriffen?

Mike: Studis haben fast nichts zu bestellen, wenn sie ihre Ziele auf dem konventionellen braven Weg zu erreichen versuchen. Wir brauchten einen alternativen Raum, wo sich Studierende frei begegnen konnten.

Jaeger: Studierende sind auf jeder Ebene der Universität vertreten, haben also ein Mitbestimmungsrecht. Wer sich engagiert, findet auch in einem Gremium Gehör, in dem er nicht in der Überzahl ist. Ausserdem gibt es im StuRa seit längerer Zeit die Bestrebungen für ein Revival der Körperschaft SUZ, welche wir stark unterstützen. Die Besetzung vom letzten Jahr stellt allerdings ein Risiko für das Zustandekommen dar. Das Verhalten von ein paar wenigen Studierenden hat das Verständnis der politischen Entscheidungsträger für studentische Anliegen zweifellos nicht gefördert.

Das öffentliche Interesse flachte ab. Zwei Monate nach der Besetzung wurde die Bewegung heimatlos, nachdem die Unileitung die Schlösser des HIM-Pavillons auswechseln liess.

Jaeger: Wir nahmen die Anliegen der Studierenden ernst und boten ihnen zur Ausarbeitung eines Forderungskatalogs den Pavillon unterhalb der Polyterrasse an. Die Bedingung war jedoch, diesen nach abgeschlossener Arbeit wieder zu verlassen. In einem Schreiben teilten wir «unsereuni» mit: «Die Frist läuft unwiderruflich am 14. Januar 2010 ab.»

Mike: Sache ist, dass wir mündlich eine anderslautende Abmachung trafen. Demnach hätten wir im Pavillon bleiben können, solange wir weiterhin aktiv sind. Dies taten wir. Vor Ablaufen der Frist bestand ein Veranstaltungskalender bis in den März hinein. Die Unileitung stellte uns trotzdem auf die Strasse. Das Rektorat verwies auf das Mitteilungspapier und war das Problem los, ohne dass eine breite Öffentlichkeit von der Sache erfuhr. Während der Semesterferien, ohne Medienrummel.

Und der Forderungskatalog?

Mike: Diesen übermittelten wir der Unileitung. Eine Antwort darauf haben wir seitdem aber nie erhalten.

Jaeger: Natürlich nicht, es war schliesslich auch ein Forderungskatalog und keine konkrete Anfrage.

Hat «unsereuni» etwas bewegt?

Mike: «unsereuni» entstand auch mit dem Ziel, eine Diskussion anzuregen. Das haben wir geschafft. Insbesondere auf Institutsebene wurden die Probleme angegangen. Auch der StuRa befasste sich intensiver mit dem Thema, obwohl der «Bologna-Talk» ein Flop war. Die grossen Fragen, die die ganze Gesellschaft betreffen, wurden jedoch bisher nicht angegangen. Da braucht es zusätzlich politischen und gesellschaftlichen Willen zur Veränderung.

Jaeger: Die Lehrkommission und andere Gremien innerhalb der Uni beschäftigten sich schon zuvor mit diesen Themen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass «unsereuni» zusätzliche Hinweise und Vorschläge einbrachte.

Wieso blieb der durchschlagende Erfolg der Bewegung aus?

Jaeger: Die Forderungspalette war zu breit. Die Kritik begann mit der Ökonomisierung der Bildung und endete mit den Löhnen der Putzfrauen, irgendwo zwischendurch kam noch die Bologna-Reform. Weder Hochschulleitung noch Öffentlichkeit wussten, was die Studierenden inhaltlich konkret forderten.

Mike: Die Kommunikation zwischen uns und der Unileitung stimmte nicht. Sie nahm uns nicht ernst, alle wiesen die Verantwortung von sich. Wir liefen gegen eine technokratische Schutzmauer. Zudem war für die Teilnehmenden der Zeitaufwand enorm. Viele andere Studierende wollten diesen nicht auf sich nehmen, selbst wenn sie die Aktion toll fanden. So konnten wir keinen grossen Druck aufbauen.

Wo liegen die weiteren Gründe für die geringe Mobilisierung der Studis?

Mike: Viele Interessierte haben sich wohl auch schwer mit unserem Grundprinzip abgefunden, basisdemokratische Entscheidungen zu fällen. Das ist bei mehr als 50 Personen nun mal aufreibend.

Jaeger: Ich meine, dass Studierende während der letzten 20 Jahre weniger politisch geworden sind. Einer von vielen Gründen dafür ist wohl, dass sich durch die laufende Umsetzung der Bologna-Reform bei vielen Personen der Umgang mit dem Studium verändert hat. Dieses erfordert nun mehr Engagement. ◊

Mike Birrer (21) studiert Umweltingenieurwissenschaften an der ETH Zürich.

Maximilian Jäger (64) ist Delegierter des Rektors der Universität Zürich.