Die AUC im Zentrum Kairos. PD

Studieren in Kairo

Im Zentrum Kairos seht die von den USA finanzierte AUC. Sie ist eine säkulare Blase in der sonst religiösen und von Männern dominierten Gesellschaft.

24. November 2010

«Wäre ich doch besser gar nicht aus der Metrostation aufgetaucht» schiesst es mir durch den Kopf. Ich stehe mitten auf dem Midan Tahrir, dem Knotenpunkt in Kairos Zentrum. Wie alle jungen Frauen, die alleine auf der Strasse unterwegs sind, werde ich angestarrt.

Ich überquere die Strasse, und schon stehe ich vor den blitzblanken Mauern der American University of Cairo (AUC). Das Strassenbild hat sich stark verändert: Während sonst mehrheitlich Männer anzutreffen und die wenigen Frauen verhüllt sind, strömen hier Studentinnen mit flatternden Haaren und engen Jeans aus dem Gebäude. Die meisten verschwinden schnell in einem wartenden Wagen. Die Politikwissenschaftsstudentin Hadil erklärt: «Viele Studenten der AUC haben eigene Fahrer und wohnen in abgeschlossenen Siedlungen.»

Keine Legi, kein Eintritt

Die AUC ist eine Privatuniversität und unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von ihren staatlichen Pendants. Sie bietet zwar auch Stipendienprogramme an, trotzdem stammen die meisten Studierenden aus der ägyptischen Oberschicht. Die Religion praktizieren die meisten nur in sehr moderater Form. Viele Studentinnen sind nicht verschleiert. «Wir sind schon sehr abgetrennt vom Rest, aber dafür habe ich die Freiheit, das anzuziehen, was ich will», fügt Hadil hinzu. Die entscheidenden Unterschiede zu den staatlichen Universitäten liegen aber in den Curricula. So kann hier Judith Butler einen Vortrag über Geschlechterkonstruktionen halten – in Ägypten an jedem anderen Ort ein Tabu. «Wir haben hier ganz andere Perspektiven auf die Dinge als die Studenten an den staatlichen Unis», sind sich die Freundinnen von Hadil einig. Im Gegensatz zu den staatlichen Unis wird der Rektor der AUC nicht vom Präsidenten ernannt. Seit der Gründung war es immer ein Amerikaner. Die Uni erhält auch finanzielle Unterstützung: Durch Gelder aus den USA geniessen die Studenten hier in topmodern ausgestatteter Umgebung eine Ausbildung, die auch im Westen als hochwertig gilt. «Wenn du die Möglichkeit hast, dann schickst du dein Kind an die AUC», fügt Hadil hinzu. Die meisten haben diese Möglichkeit nicht. Die Teilung der ägyptischen Gesellschaft zeigt sich auch beim Studium deutlich. Eine dünne Oberschicht besetzt die wichtigsten Positionen in der Wirtschaft des Landes und orientiert sich am «Westen». Ihre Kinder besuchen die AUC und wachsen mit Blackberries und amerikanischen Serien auf. Die grosse Masse bewegt sich in einer anderen Realität und führt ein traditionelles, von der Religion geprägtes Leben.

Dass die Trennung so bestehen bleibt, sichert eine Eigenschaft, die die American University leider mit allen anderen Unis des Landes teilt. Nur wer eine Legi der Uni hat, kommt ins Gebäude rein. Mit Maschinengewehren bewaffnete Männer stellen sich mir in den Weg, als ich einen Blick auf den Campus werfen möchte. Meine Zürcher Legi akzeptieren sie nicht. Die Universität bleibt so, was sie ist: eine säkulare Blase mitten im Zentrum Kairos. ◊