Der Senf der Redaktion. Lukas Messmer

Senf der Redaktion

Unser Senf

20. Oktober 2010

Sidlers Hobby: Stricken

«Inestäche, umeschlah, dureziäh und abelah.» Stricken ist einfach zu lernen, eine gute Abwechslung zum Unistoff und beruhigt sogar das Gewissen, da man dabei ja nicht völlig untätig ist. Ausserdem ist es ein gutes Gefühl, seinem eigenen Werk beim Entstehen und Wachsen zuzusehen. Auch bei Form und Farbe kann man Gott spielen und Schals in Pink und Gelb oder Mützen in Grasgrün entwerfen. Wolle und Nadeln gibt es in jedem grösseren Warenhaus für wenig Geld zu kaufen und Anleitungen findet man heutzutage auch auf Youtube. Ist der Anschlag erst einmal geschafft, lässt es sich dann während dem Stricken bequem Beziehungsprobleme wälzen, Ideen für Seminararbeiten sammeln, den Gedanken freien Auslauf gönnen oder die geheime Identität als Serienjunkie pflegen. Skeptiker bringt man übrigens mit der Antwort «Von wegen unproduktiv, schau mal, wie weit ich schon bin!» zum Schweigen.

Siegrists Stimmempfehlung: 2 x Nein

Am 28. November votieren die Stimmberechtigten über die Ausschaffungsinitiative und den direkten Gegenvorschlag dazu. Sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag sind fremdenfeindlich und schaffen zwei neue Klassen vor dem Recht – die mit dem roten Pass und die anderen. Somit wäre eine Gleichheit vor dem Gesetz nicht mehr gegeben. Zudem ist die Initiative ein Produkt rechtspopulistischer, reaktionärer und rassistischer Politik, die auf keinen Fall durch demokratische Legitimation verstärkt werden darf. Kriminalität ist keine Frage von Nationalität und lässt sich nicht ausschaffen, wie es die SVP propagiert – die Gründe liegen tief in unserer kapitalistischen Gesellschaft verankert. Deshalb stimmt am 28. November zwei Mal Nein. Gegen das Konstrukt von Nation und Rasse!

Zimmermanns künstlerisches Konzept: Land Art

Raus in die Natur, Bewegung kriegen, Frischluft tanken – ist ja alles gut und schön. Aber Joggen ist definitiv zu sportlich, für Nordic Walking sind wir zu jung und ein Spaziergang alleine ist auch nicht gerade prickelnd. Darum geht in den Wald, auf die Wiese, an den Fluss und macht Land Art. Sich von der Natur inspirieren lassen, Moos, Blumen, Steine sammeln und vergängliche Kunstwerke kreieren. An sonnigen Herbsttagen gibt es kaum Entspannenderes als Land Art – man ist draussen, hat Bewegung und erst noch das Gefühl, etwas getan zu haben.

Zanders Buch: Tifare Contro

Giovanni Francesio fasst in seinem Buch Tifare Contro vier Jahrzehnte Ultra-Kultur in Italien zusammen. Ultras, das sind Fans, die ihrem Sportverein überallhin bedingungslos folgen, um ihn zu unterstützen. Es sind aber auch diejenigen Fans, welche wegen der Gewalt rund um Sportanlässe in Verruf geraten sind. Es wird viel über sie geschrieben – oft nur auf der Metaebene. So steckt in den Berichten meist viel Halbwissen und wenig ehrliche Recherche.

Francesio berichtet über die Ultras in Italien aus erster Hand. Nun erscheint das Buch in einer deutschen Übersetzung. Für Experten mag es nichts Neues bieten. Für alle, die jedoch etwas anderes über die Ultras lesen möchten als die übliche Medienhetze, bietet dieses Buch eine gute Gelegenheit.

Messmers Comic: Lucky Luke

Als ich noch jung war, war ich ein Nerd. Ich spielte Computerspiele bis tief in die Nacht. Während Zwischenstunden in der Schule hing ich in der Bibliothek ab und las Comics. Und da stach mir einer besonders ins Auge: Lucky Luke, the poor lonesome Cowboy. Der erlebte, was ich verpasste. Abenteuer in der unendlichen Prärie, angereichert mit allem, was für mich damals in weiter Ferne lag: Whisky und Bier in rauhen Mengen, Kartenspiele um Hunderte von Dollars, Reichtümer, knapp bekleidete Frauen und deftige Schlägereien, Schies­sereien und abgefeimte Gauner. Trotz dem Wilden Westen blieb Lucky aber stets integer, he prefers a horse for company.

Leider hat die Präventionswut auch bei Lucky Einzug gehalten. Neuerdings ziert ein Grashalm seine Lippen. Seine immer im Maul hängenden, perfekt einhändig gedrehten Zigaretten waren für die heutige Jugend wohl zuviel. Ich lese ihn trotzdem noch, vor allem zum Einschlafen.

Bedettis Film: Kaboom

Eigentlich ist es schon rätselhaft, wieso dieses Ami-College-Schmierentheater am diesjährigen Filmfestival Cannes eine Palme abgeräumt hat. Andererseits war es auch nur die «Queer Palm». Damit wäre auch schon zum Inhalt übergeleitet, der sich in den ersten 70 von 86 Minuten Laufzeit darum dreht, dass sich der androgyne Student Smith nicht entscheiden kann, ob er lieber mit Männern oder Frauen ins Bett will, und sich darüber stundenlang mit der affektierten Kunststudentin Stella unterhält, während sie in vegetarischem Essen herumpicken. Nach diesem etwas lang geratenen Einstieg tischt der Film in einer wirren Hektik eine lyncheske Verschwörungsgeschichte auf, die auf dem Gipfel der Absurdität damit endet, dass der verschollen geglaubte Vater von Smith den Erdball mit einer multinuklearen Explosion in die Luft bläst. Man weiss zwar nicht recht, ob man mit den «Kaboom»-Machern lacht oder über sie, lachen muss man aber bestimmt. Ob der Film es in die Deutschschweizer Kinos schafft, ist ungewiss. In der Romandie ist er angelaufen.