Das Plakat für die Blutspendeaktion an der Uni Zürich im letzten Jahr. PD

Duell: Blutspenden an der Uni

Sie erhitzte einst Studierendengemüter. Die Büste von Auguste Forel, Freund von Ameisenkriegen und Menschenkastration.

Andrea Bühler (Dafür) und Stefanie Bäurle (Dagegen)
20. Oktober 2010

Dafür

Blutspenden an der Uni ist göttlich. Ich mag es, mich der latenten Nervosität vor dem Spenden zu stellen, liebe es, vom medizinischen Personal bemuttert zu werden, und ich bin verrückt nach der Gänsehaut, die ich kriege, wenn sich die zugegebenermassen nicht gerade dünne Kanüle in eine meiner sorgfältig ausgewählten Venen schiebt. Und natürlich geniesse ich die bewundernden Blicke der Memmen aus den oberen Rängen im Lichthof, denen die Knie schlottern bei der Vorstellung, sich piksen zu lassen.

Abgesehen vom heroischen Gefühl, das sich gleichzeitig mit der Entfernung der Nadel aus meinen Arm einstellt, liegen die Vorteile der Blutspende auf der Hand: Für läppische 4,5 Deziliter Körperflüssigkeit bekomme ich einen kostenlosen Gesundheitscheck mit Bestimmung meiner Blutgruppe und einer Messung von Blutdruck, Puls und Hämoglobin. Weil jede Spende auf Antikörper getestet wird, kann ich sicher sein, weder Hepatitis B oder C noch HIV oder Syphilis unentdeckt mit mir herumzutragen.

Auch die angebotene Verpflegung ist nicht zu verachten. Vor dem Abzapfen stopfe ich mich gepflegt mit Sugus voll. Danach bediene ich mich am Buffet aus einer reichen Auswahl von Snacks und plaudere mit meinen neuen Blutsbrüdern und -schwestern oder unterhalte mich mit dem einen oder anderen schnuckligen Medizinstudenten über Vor- und Nachteile einer Spiralanästhesie. Ausserdem lerne ich im persönlichen Gespräch den Arzt von einer anderen Seite kennen, weil er sich nicht nur für mein Blut, sondern auch für mein Studium interessiert. Überhaupt geniesse ich für 45 wundervolle Minuten die totale Aufmerksamkeit der weiss gekleideten Helferschaft. Der Spender ist König. Und dank der Möglichkeit, direkt an der Uni Blut zu spenden, vergesse ich niemals den nächsten Termin und kann nach der letzten Vorlesung noch auf dem Nachhauseweg kurz im liebevoll abgetrennten Provisorium im Lichthof vorbeischauen.

In der Schweiz werden täglich 1300 Blutspenden benötigt, um Unfallopfer oder Patienten, die eine schwere Operation benötigen, mit dem roten Lebenssaft zu versorgen. Da halte ich mit Freuden viermal im Jahr für zehn Minuten meinen Arm hin und knete rhythmisch einen grünen Schaumstoffball, um den Blutfluss in meinen Adern zu fördern, wenn ich damit Menschen helfen, ja vielleicht sogar Leben retten kann. Und hat nicht schliesslich schon Christus sein Blut für seine Jünger hergegeben? Tut es ihm gleich! Geht Blut spenden!

Dagegen

Dank Karl Landsteiner überkommt mich gegen Ende des Semesters jedes Mal das schlechte Gewissen. Landsteiner machte im Jahre 1900 mit der Entdeckung der unterschiedlichen Blutgruppen Bluttransfusionen möglich. Darum heisst es an der Uni immer wieder: «Schenken Sie Blut!»

Dass ich Blut generell nicht gern ausserhalb seiner Laufbahn sehe und deshalb auch schon Platz auf der Treppe im Hauptgebäude nehmen musste, als ich einem «Lueg, ez sinds wieder am…» einer Kollegin Folge leistete, ist nur einer der Gründe, weshalb ich auch diese Weihnachten nicht mein Blut verschenken werde. Vielleicht könnte ich ja – um Leben zu retten – meine Angst vor dem bestimmt kaum spürbaren Einstich überwinden und über die möglichen Nebenwirkungen wie Blutergüsse, Kreislaufprobleme und Übelkeit hinwegsehen. Dass tausende Studenten von den Treppen und Gängen auf mich herunterblicken, kann ich allerdings nicht ignorieren! Die schlürfen dabei ihren Kaffee, den sie sich im Lichthof anstelle einer Informationsbroschüre übers Blutspenden geholt haben, während ich schwitzend und voller Panik ihren entweder bemitleidenden oder hämischen Blicken nicht ausweichen kann.

Der Grossanlass versammelt jeweils bis zu 2000 Studierende und Angestellte der Hochschulen im Lichthof. Im Winter 2009 lockte er passend zur Adventszeit mit dem Slogan «Blut wächst nicht auf Bäumen. Es kommt von Herzen». Bei mir scheint dies definitiv nicht der Fall zu sein. Anders kann ich mir mein Verhalten, nämlich das Hauptgebäude während dieses wohltätigen Blutvergiessens zu meiden, nicht erklären.

Und mal ehrlich, auch wenn ich angstfrei und voller Lebens(schenk)freude wäre, könnte sich der Zürcher Blutspendedienst nicht einen sinnvolleren Termin für diese heroische Tätigkeit einfallen lassen? Oder bin ich die einzige, die im Dezember und Mai Arbeiten schreiben und auf Prüfungen lernen muss? In dieser Zeit empfinden mich Kommilitonen ohnehin schon als gestresst, energielos. Da kann ich unter keinen Umständen auch noch auf zehn Prozent meiner Blutkörperchen und 450 Milliliter meines Bluts verzichten.

Deshalb – und aus Mangel an Eisen – werde ich auch in meinen verbleibenden Semestern an der Uni weiterhin ignorant an den tapferen Lebensrettern vorbeispazieren.