Der prunkvolle Orelli-Saal. Patrice Siegrist

Von Herrenhäusern und Steinen

Stolze Gebäude prägen das Bild rund um das Hauptgebäude der Universität Zürich. Wie sie entstanden und wer sie heute benutzt.

23. September 2010

Ich bin an der Uni schon viel herumgekommen. Als Journalist der ZS treffe ich diejenigen, die an der Uni die Fäden in den Händen halten, immer wieder in ehemaligen Herrenhäusern, Pferdeställen oder Mädchenschulen. Die Uni hat ihre Institute in zahlreichen Villen untergebracht – so auch die ZS-Redaktion.

Mit Block und Bleistift zu Fischer

Alles war neu für mich. Mein erster Auftrag der ZS-Redaktion: Ein Interview mit Rektor Fischer im Stockargut. Das Gebäude steht pompös unterhalb des Hauptgebäudes der Uni. Die massive Holztür öffnet sich automatisch. Modern für ein Haus, das 1630 vom Ratsherrn Rudolf Waser errichtet wurde. Damals war das «Gut zum oberen Berg» für Herrschaft und Pächter konzipiert. Seit 1936 mietet die Universität Zürich dieses Gebäude, welches die Familie Stockar zuvor dem Kanton verkauft hatte.

Ein Herrschaftsgebäude ist es geblieben, schliesslich ist darin nicht nur das Rektorat mit seinem Stab, sondern auch noch der Rechtsdienst und die Verwaltungsdirektion beheimatet. Auf jeden Fall birgt dieses schöne Gebäude interessante Geschichten in sich. Mein Interview hingegen wurde langweilig. Ob es an meinen Fragen oder an den Antworten des Rektors lag, ist schwierig zu sagen.

Bei Weder in der Mädchenschule

Ein Jahr später – ich war mittlerweile Redaktionsleiter – trat ich schon sehr viel sicherer durch die grosse Tür des Theologischen Seminars. Ein massives, dreigeschossiges neuromanisches Gebäude. Dieses Mal mit Aufnahmegerät, Fotoapparat und kritischen Fragen im Gepäck. Das Theologische Seminar hat sich seit 1976 eingemietet. Ursprünglich stand hier gleich neben dem Grossmünster ein Klostergebäude, dann wurde es abgerissen. 1849 baute der Architekt Gustav Albert Wegmann eine Mädchenschule. Von mittelalterlicher Substanz sehe ich nur wenig. Beim Neubau wurde ausschliesslich für den Kreuzgang solche Substanz verwendet.

Als ich nach einem – dieses Mal erfolgreichen – Interview mit Hans Weder, Rektor Fischers Vorgänger, die ehemalige Mädchenschule verliess, wäre ich beinahe über den «Findling vom Geissturm» gestolpert. Was ich damals nicht wus­ste: Dieser rötliche Stein an der östlichen Ecke wurde 1652 über 230 Meter weit an diesen Ort geschleudert – der Blitz eines Sommergewitters schlug ins Pulvermagazin der Stadtbefestigung ein.

Fliegende Steine

Vor fliegenden Steinen fürchtete sich im letzten Sommer das Schweizerische Institut für Auslandforschung, SIAF. Es sagte den geplanten Vortrag mit dem Novartis-Chef Daniel Vasella ab.

Die informelle Studierendenorganisation «uni von unten» hatte dazu aufgerufen, Vasella «gebührend zu empfangen». Für die ZS war ich damals hautnah dabei. Für einen umfassenden Artikel traf ich zwei Vertreter des SIAF im philosophischen Seminar. Sie empfingen mich in einem hohen Raum der Villa Eichhorst. 1896 errichtete Hermann Eichorst dieses majestätische Anwesen. Eichhorst, welcher dem Gebäude den Namen verlieh, war Direktor der medizinischen Klinik. Sie fand vor dem philosophischen Seminar in diesem idyllischen Gebäude Platz.

Abschiedsapéro im Orelli-Saal

So sehr ich die Herren Fischer, Weder und Kohler um ihre Räumlichkeiten beneide, auch unser Redaktionsbüro ist nicht von schlechten Eltern. Es wurde als «Haus Rämiberg» 1841 gebaut, der Architekt ist leider nicht mehr bekannt. 1965 kaufte der Kanton das Schmuckstück und restaurierte es. Neben dem StuRa und dem Fachverein Oekonomie hat sich die ZS im dritten Stock eingerichtet. Ich werde wohl auch noch einige Zeit hier bleiben. Ich fühle mich wohl in den hohen Räumen mit dem alten Holzboden. Doch wenn ich dereinst abtrete, erwarte ich schon, dass mein Abschiedsapéro im Orelli-Saal des Stockargutes stattfindet. Dieser prunkvolle Saal wird heute nur noch für besondere Anlässe verwendet. Zumindest würde sich für mich dann ein Kreis schliessen. ◊