Martin Vollenwyder, Stadtrat Zürich. Sabina Galbiati

Nicht vor meiner Tür

Weil höhere Gebäude die Aussicht versperren, sind in Zürich alleine wegen Einsprachen 1200 Wohnungen blockiert. Stadtrat Martin Vollenwyder.

28. April 2010

Herr Vollenwyder, hat Zürich eine Schmerzgrenze erreicht, wo es nicht noch mehr Studierende aufnehmen kann?

Es hat keinen Sinn, wenn wir sagen, wir können das nicht bewältigen. Wir müssen schauen, dass wir möglichst viele Zimmer bereitstellen können. Klar ist: Wir können nicht garantieren, dass alle, die in Zürich studieren unmittelbar in der Kernstadt ein Zimmer finden. Aber die Erschliessung durch den ÖV hat enorme Fortschritte gemacht und daher halte ich es durchaus für zumutbar, in der Agglomeration ein Zimmer zu mieten.

Es wird also keinen zweiten Numerus Clausus durch verfügbaren Wohnraum geben?

Nein. Ich persönlich bin sowieso ein Gegner des Numerus Clausus, auch bei den Medizinern. Zur Zeit haben wir einige Projekte am Laufen und kürzlich konnten wir auch einige private Unternehmen zur Mitfinanzierung für studentische Wohnungen im Zollfreilager bewegen. Letztlich haben die Unternehmen ja auch ein Interesse daran, gut ausgebildete junge Leute zur Verfügung zu haben.

Warum braucht Zürich trotzdem eine Stiftung für studentisches Wohnen?

Die Stiftungen kommen durch Schenkungen oder Legate leichter an Grundstücke oder Häuser. Zudem sind die Stiftungen flexibler am Wohnungsmarkt und können schneller reagieren. Die Stadt muss immer den parlamentarischen Weg gehen und je nach dem kommt eine Vorlage vors Volk. Wenn dann gerade Ramba Zamba am falschen Ort war, besteht das Risiko, dass der Antrag abgelehnt wird.

Dennoch herrscht in der Stadt Wohnungsknappheit.

Ja, aber ich glaube, das liegt nicht an unserer Systematik. Die Wohnungsknappheit ist ein generelles Problem. Wir haben einfach nicht mehr genug Baufläche. Wir müssen verdichten. Aber allein in Zürich sind aufgrund von Einsprachen 1200 Wohnungen blockiert. Weil man höher bauen will oder anders. Das ist verrückt: Einerseits sagen alle, wir brauchen mehr Wohnungen, aber wenn sie nicht mehr in Vrenelis Gärtchen schauen können, dann auf keinen Fall.

Wie viel Geld kann die Stadt in den Jugendwohnfonds stecken?

Ab 20 Millionen wird es kompliziert, weil es dann eine Gemeindeabstimmung braucht. Der letzte Kredit war 25 Millionen, aber jetzt ist die Wirtschaftslage schlechter und da muss man überall kürzer treten. Pro Legislaturperiode können wir uns 20 bis 25 Millionen leisten, aber das ist ziemlich viel. Mit 15 Millionen aus dem letzten Kredit konnte man 724 Wohneinheiten unterstützen. Zürich macht im Quervergleich sehr viel, muss ich sagen.

Ist ein Campus wie in Science City auch in der Nähe des Zentrums oder am Irchel eine mögliche Lösung?

Die Stadt ist von Science City nicht so begeistert, weil dort sehr teure Gebäude geplant sind, wo die Wohnungen und Zimmer dann rein kommen. Wir haben kürzlich einen Workshop mit den Stiftungen für studentisches Wohnen und der Woko gemacht, weil wir uns gefragt haben, ob ein solcher Campus die richtige Lösung ist. Wirft man einen Blick ins Ausland, sieht man, dass die Studierendenheime mit Einzelzimmern weniger gefragt sind. Es wird ein breiter Mix von grösseren Wohneinheiten verlangt, also auch WGs oder Zimmer für Paare. Wir müssen jetzt überprüfen, ob es sinnvoller ist, im Grossen kleinere Einheiten zu bilden.

Ist die Wohnungsnot ein Luxusproblem?

Naja, es war vor allem ein Wahlkampfproblem. Zürich ist eine zentral gelegene, attraktive Stadt. Dazu kommt, dass der Wohnraumbedarf seit den 60er Jahren um 40 Prozent gestiegen ist. Wir haben in Zürich, aber auch in der Schweiz einen Flächenkonsum, der seines Gleichen sucht.

Was wünschen Sie sich persönlich für Zürich um das Problem der Wohnungsnot zu lösen?

Ich wünsche mir von den Jungen etwas mehr Geduld. Sie sollen nicht immer gleich nach der Matur eine eigene Wohnung oder WG haben wollen. Ein längerfristiges Ziel ist, dass man mit den Aussengemeinden ein Verhältnis zu finden versucht. Das kann bis hin zur Eingemeindung gehen. Damit hätten wir wieder mehr Fläche zur Verfügung.