«English, please!»

Fotografieren ist verboten und das Sandwich verschollen. Unser Reporter lauscht am Brown Bag-Business Lunch Vertretern der Finanzbranche.

28. April 2010

Klingt doch wunderbar: «Der Finance Club der Universität Zürich versteht sich als Organisationsplattform für Studierende mit Schwerpunkt Finance untereinander, mit Professoren und Assistenten des Instituts für Schweizerisches Bankwesen (ISB) sowie mit Vertretern aus Berufsfeldern des Banking und der Finance.» Heisst es auf der Homepage. Zu den sogenannten «Brown Bag Lunches» kann man sich auch kostenlos anmelden, wenn man nicht Finanzen studiert. Schon am nächsten Tag bekomme ich eine Einladung. Diesmal wird sich die Firma «Roland Berger Strategy Consultants (RBSC)» vorstellen.

Von Bonbons und V-Kurven

Das ISB befindet sich an der Plattenstrasse 14. Ich bin ein bischen zu früh, aber das macht ja nichts. So kann ich schon mal den «Brown Bag», eine hellbraune Tüte aus Altpapier, genauer unter die Lupe nehmen. Ich finde eine kleine blaue Dose mit Bonbons ohne Zucker (kann bei übermässigem Verzehr abführend wirken). - Mmh! Weiter befindet sich im braunen Bag eine Art Notizblock, der einem sagt, worauf es ankommt. Auf unsere Performance nämlich und darauf, dass wir uns bei einer Bewerbung nicht verstellen, sondern Ecken und Kanten zeigen. – Ok! Weiter finde ich einen Kugelschreiber und drei Prospekte, auf schwerem Hochqualitäts-Papier gedruckt. Der Untertitel des dicksten Prospektes spricht mich an: «Warum die Weltwirtschaft ein starkes Amerika und China braucht», eindrücklich dargestellt mit einem Schmetterling, der eine V-Kurve fliegt und dessen Flügel aus der chinesischen und der US-amerikanischen Flagge bestehen.

Apropos V-Kurve: RBSC zeigt sich in einem der anderen Prospekte recht optimistisch: 70% Eintrittswahrscheinlichkeit für die V-Kurve (= Wirtschaftliche Entwicklung ging stark zurück und wird jetzt wieder stark steigen). 25% für die U-Kurve (= langsamer Rückgang und Aufschwung) und nur 2% für die L-Kurve (= Starker Rückgang und Verbleib auf tiefem Niveau). Wir werden ja sehen.

Immer die gleiche Leier

Unterdessen hat Herr Dr. Carsten B. Henkel, der auch in einem der Prospekte abgebildet ist, mit der Präsentation begonnen. Wir sind etwa 34 Zuhörer, von Aussehen her zu schliessen sind 9 davon asiatischer Herkunft (chinesische Wirtschaftsspione?). Welche Sprache gewünscht werde, Deutsch oder Englisch, ist Henkels erste Frage. Eine Dame in Rot hätte gern Englisch. No Problem! Ob es spezielle Fragen oder Anliegen gebe, die behandelt werden sollen? Nachdem niemand sich meldet, frage ich, wie die zukünftige Entwicklung des Dollars wohl aussehe. Nun folgen weitere Fragen: Wie läuft ein Praktikum bei RBSC ab und wie sieht das Leben eines «First Year Consultant» aus? Welche Theorie wendet RBSC an? Mir kommt so langsam der Verdacht, dass meine Frage mit dem Dollar eher unpassend war. Henkel fragt dann auch etwas zweifelnd nach, ob wir den Dollar wirklich behandeln sollten? Na gut, dann eben nicht. Es folgt eine Präsentation im üblichen Stil, von der ich als Nichtwirtschaftsstudent nicht viel verstehe. «Wir machen das, das und das. Wir haben das am WEF gesponsert. Wir machen das, das und das nicht. Unsere Kunden sind zahlreich und vertrauen auf unsere Diskretion. Wir sind die drittgrösste Beraterfirma in der Schweiz.» Beziehungsweise natürlich in Englisch: «We develop for example strategies how to sell cheese.»

Fotografieren verboten

Als ich ein Foto von einer Folie mache, auf der Kundenlogos abgebildet sind, werde ich prompt angehalten, das Bild wieder zu löschen. Ich tue so als ob, denn ich hätte es doch gerne für die ZS verwendet. Ist mir doch egal, welche Kunden RBSC hat. Einzelne sind mir dennoch bekannt, so zum Beispiel Mastercard oder die Deutsche Bahn. Die Anwesende interessieren sich hauptsächlich für die Möglichkeiten eines Praktikums bei der Firma. «We can digest up to seven interns per year», übrigens. Als Praktikant arbeitet man integriert in einem Team und zwar vor Ort – das kann auch in Shanghai sein. Praktikanten werden behandelt wie richtig echte Consultants. Etwa 50% Prozent von ihnen kommen zu RBSC zurück, nachdem sie ihren Abschluss gemacht haben. Exzellent Arbeitende können mit einem Lohn von bis zu 4500 Franken pro Monat – natürlich exklusive Boni – rechnen.

Nach Carsten Henkel erzählt Patrick Dümmler von einem Fallbeispiel und Sven Bischoff von seinen Erfahrungen als Praktikant. So sollten zum Beispiel bei einer Präsentation einer Strategie beim Chef die Zahlen immer stimmen, weil dieser seine Firma meistens am besten kennt und falsche Zahlen schnell entdeckt. «We are all learning – I myself am still learning», weiss Henkel.

Wo ist mein Sandwich?

Alles in allem kriegte ich einen interessanten Einblick in eine international tätige Consulting-Firma. Ich habe auch erfahren, dass man dort jederzeit anheuern kann, wenn man gewillt ist, Leistung zu bringen – und dass Diskussionen über den Dollar nicht zum Lunch passen.

Ein kleiner Dämpfer war am Schluss das Sandwich, auf das ich mich die ganze Zeit gefreut hatte, denn es war weg. Ich kam zu spät aus dem Vortragsraum und konnte nur noch zuschauen, wie die andern schon am Mampfen waren. Zum Glück hatte die Mensa die Essensausgabe um 13h50 noch nicht beendet, und es gab erst noch Poulet-Pommes-Frites. Fabelhaft!