PD

Podcasts entlasten Hörsäle

Nirgendwo ist der Platzmangel so gravierend wie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

27. April 2010

Hat die Prodekanin konkrete Lösungen?

Frau Backes-Gellner, die Studierenden ihrer Fakultät müssen ihre Assessment-Prüfungen im Messezentrum ablegen. Wie ist es dazu gekommen?

In den letzten Jahren ist die Zahl der Studierenden kontinuierlich gestiegen, was ja im Grunde erfreulich ist, da dies die Attraktivität des Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich belegt. Gleichzeitig hat es aber auch dazu geführt, dass ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr genügend Kapazität an der Universität vorhanden war, um die Prüfungen für alle Studierenden gleichzeitig und unter vergleichbaren Bedingungen durchzuführen. Das Messezentrum in Oerlikon hat hier eine grosse Entlastung gebracht und ist nach unseren Eindrücken auch von den Studierenden sehr gut angenommen worden.

Wie löst die WWF das Problem des akuten Platzmangels während des Semesters? Nimmt man einfach in Kauf, dass Studierende mit einem Platz auf dem Boden vorlieb nehmen müssen?

Normalerweise müssen die Studierenden nicht am Boden sitzen. Die Hörsaaldisposition versucht bereits im Vorfeld, die Hörsäle optimal auf die prognostizierte Zahl der Teilnehmer abzustimmen. Gelegentlich kann zu Beginn des Semesters die effektive Teilnehmerzahl von der erwarteten abweichen. Nach meinem Wissen lassen sich solche Anfangsprobleme in der Regel aber rasch beheben.

Einige Vorlesungen werden per Video in zusätzliche Hörsäle übertragen. Können die Übertragungen, bei denen man nur konsumieren und nicht nachfragen oder mit den Dozierenden in Kontakt treten kann, eine ordentliche akademische Ausbildung gewährleisten?

Videoübertragungen werden nur zu Beginn des Studiums in sehr grossen Veranstaltungen eingesetzt. Sie stellen dort eine notwendige Massnahme zur Lösung der Raumengpässe dar. Über die gesamte akademische Ausbildung hinweg überwiegen aber eindeutig Formate mit direkten Nachfragemöglichkeiten.

Also sehen Sie keine Gefährdung der Lehrqualität?

Ich denke, dass Podcasts eine sinnvolle Ergänzung zum Besuch der Vorlesungen sein können. Aber ich glaube nicht, dass sie einen vollwertigen Ersatz darstellen. Mein Eindruck ist, dass die meisten Studierenden Podcasts tatsächlich eher als Ergänzung nutzen und nur zur Not als Ersatz, wenn sie am Besuch einer Vorlesung verhindert sind. Zu unseren Podcast-Angeboten haben wir übrigens von unseren Studierenden ein sehr positives Feedback bekommen.

Welche Lösungsstrategien für das Platzproblem werden an Ihrer Fakultät diskutiert? – Die Raumbewirtschaftung erfolgt zentral und fällt in den Kompetenzbereich der Universität. Als Fakultät haben wir darauf gedrängt, dass die Expansion der WWF in der universitären Flächenentwicklungsstrategie entsprechend berücksichtigt wird.

Wie sind die Probleme entstanden? Wird es in Zukunft Zulassungsbeschränkungen geben?

Die Platzprobleme an der Universität entstanden vor allem durch eine insgesamt gestiegene Zahl an Studierenden aufgrund der gestuften Studiengänge. An der WWF spielen zusätzlich die steigenden Anfängerzahlen – einschliesslich Nebenfachstudierende – eine grosse Rolle. Die Zulassungsbedingungen sind generell im Rahmen der Bolognavereinbarungen geregelt.

Ausländische Studierende wurden in letzter Zeit oft als möglicher Faktor für den Platzmangel genannt.

Die Frage ausländischer Studierender stellt sich hier kaum.

Was hat sich seit Bologna für die WWF geändert?

Am Pflichtkanon hat sich gegenüber der alten Studienordnung gar nicht so viel geändert. Die Platzprobleme sind insofern weniger auf die aus den Bolognareformen resultierenden Studienstrukturen, sondern vielmehr auf die gestiegene Zahl der Studierenden zurückzuführen. Die stärkere Strukturierung der Bolognastudiengänge hilft sogar eher das Platzproblem im Griff zu halten.

Gerade an der WWF werden Studierende seit der Bolognareform dazu aufgefordert, sich nach dem BA-Abschluss direkt ins Arbeitsleben zu stürzen. Will man sie damit nicht einfach nur loswerden?

Wir ermuntern die Studierenden generell dazu, dass sie ihren beruflichen Werdegang gemäss ihrer individuellen Interessen und Fähigkeiten ausrichten sollen. Für manche bedeutet dies, dass sie die Universität zunächst verlassen, weil sie auf jeden Fall einmal Praxisluft schnuppern wollen. Viele gehen nach einer gewissen Zeit an die Universität zurück – was übrigens auch die Idee von Bologna war. Andere wiederum wollen direkt an der Universität weitermachen. Beides kann sehr sinnvoll sein, und letztlich hängt die Entscheidung von den individuellen Präferenzen der Studierenden ab. An dem von der WWF vertretenen Anliegen der Arbeitsmarktfähigkeit hat sich durch die Bolognareform nichts geändert.

Es gibt Studierende der WWF, welche sich über die schlechten Betreuungsverhältnisse beklagen. Oft sei es von den Übungsleitern abhängig, ob man die Prüfungen bestehe oder nicht.

Die Betreuungsrelation wird letztlich durch die vom Kanton zur Verfügung gestellten Mittel bestimmt. Es wäre natürlich schön, wenn die Betreuungsrelation besser wäre – insbesondere gemessen an der Zahl der Absolvierenden pro Assistierende (bzw. Professor) steht die WWF im universitären Vergleich nicht so gut da. Das Bestehen der Prüfungen ist dadurch aber sicher nicht systematisch verzerrt.

Bei den Prüfungen wird stark selektioniert. Das verstärkt die Konkurrenz unter den rund 1000 Studienanfängern pro Jahr. Dient das der Vorbereitung auf das Arbeitsleben?

Ich weiss gar nicht, ob die Konkurrenz unter den Studierenden stärker geworden ist. Mein Eindruck ist, dass es auch früher schon deutliche Konkurrenz gab. Der verlangte Standard jedenfalls ist gleichgeblieben.

Durch die Massenabfertigung wird zudem extremes «Punktedenken» gefördert und studentisches Engagement verhindert. Ist das nicht eine negative Entwicklung?

Ich möchte das Anliegen, einer breiten Schicht der Bevölkerung eine universitäre Bildung zu ermöglichen, nicht als Massenabfertigung abwerten. Und wodurch das «Punktedenken» gefördert wird, kann ich nicht sagen, aber eine solche Tendenz kann man vermutlich schon konstatieren.

Wie kann man dieser Tendenz entgegensteuern?

Wir versuchen dem durch bestimmte Veranstaltungsformen entgegenzuwirken und ermuntern die Studierenden auch explizit zu aussercurricularem Engagement. Schon allein deshalb, weil das auch für ihren weiteren beruflichen Werdegang wichtig ist. Zwar nicht nur, aber auch.