Ein Erpressungsversuch

Der VSETH will den Verband der Schweizerischen Studierendenschaften umkrempeln und seine Machtposition auf fragwürdige Weise stärken.

27. April 2010

Der VSETH holt – als finanziell stärkste Sektion – zum Rundumschlag gegen den Verband der Schweizerischen Studierendenschaften (VSS) aus: Er fordert die Auflösung der thematischen Kommissionen, der Verzicht auf internationale Reisetätigkeit und Solidaritätsbekundungen, eine grössere Effizienz des Comité. Zudem verlangt er die Verschlankung des öffentlichen Auftritts, bessere Finanzdisziplin und ein Stimmrecht gemäss Mitgliederbeitrag. Diesen Punkten liegt eine massive Kritik an den bestehenden demokratischen – und damit oft ineffizient arbeitenden – Strukturen des VSS und an dessen politischer Grundhaltung zugrunde. Vor allem die letzte Forderung wird wohl vielen VSS-Sektionen sauer aufstossen. Denn der VSETH steht als Studierendenorganisation einer Bundesinstitution finanziell erheblich besser da als alle anderen Sektionen und will nun diesen Vorteil machtpolitisch ausnutzen.

Die oben genannten Forderungen stellt der VSETH in einem Brief an den VSS vom 18. März. Vorrangig betrifft dieser die kommende Stipendieninitiative des VSS, die eine landesweite Vereinheitlichung der Stipendienvergabe erreichen will. Bereits vor einigen Monaten habe der VSETH einen Betrag von 50’000 Franken für dieses Projekt versprochen. Das ist circa ein Fünftel des Gesamtbudgets der Initiative. Jetzt aber wird die definitive Zusprechung des Geldes an den Forderungskatalog geknüpft. Ohne dessen Umsetzung will der VSETH die Stipendieninitiative finanziell und inhaltlich nicht unterstützen.

Welten prallen aufeinander

«Wir sehen bei den aktuellen Strukturen und Mentalitäten keine realistische Chance, die notwendigen Unterschriften für die Initiative zu sammeln», begründet der VSETH seine Anliegen im Brief. Das vorgeschlagene Massnahmenpakt betrifft jedoch nicht nur die geplante Stipendieninitiative, sondern hätte strukturelle Konsequenzen.

Der VSETH-Präsident Nicholas Preyss erklärt: «Wir möchten mit den sehr konkreten Änderungsvorschlägen weitere Grundsatzdiskussionen vermeiden.» Den Brief könne man auch nicht als Drohung oder Erpressungsversuch bezeichnen. «Entweder machen die anderen Sektionen bessere Vorschläge oder sie akzeptieren unsere. Tun sie beides nicht, dann sind sie Teil des Problems», sagt Preyss.

Der VSETH macht also keinen Hehl daraus, tatsächlich den VSS umkrempeln zu wollen. Ob er mit seinem kampflustigen Auftreten ausufernde Debatten und nächtelange Diskussionen tatsächlich vermeiden kann, bleibt offen. Denn eine Frage wurde mit dem Brief erst gestellt: Will und kann man sich das aufwändige Diskutieren und Konsensfinden weiterhin leisten oder soll in Zukunft bestimmen, wer am meisten zahlt?

Gegendarstellung des VSETH

Gegendarstellung des VSETH zum Artikel „Ein Erpressungsversuch“ in der ZS Ausgabe vom April 2010

Der VSETH erhält seine Mittel nicht aus dem Etat des ETH-Bereichs, sondern wird aus den Beiträgen seiner Studierenden finanziert. Dies verpflichtet uns zu einem besonders sorgfältigen Umgang mit diesen Geldern. Das Finanzierungsmodell des VSETH wäre auch an jeder kantonalen Universität denkbar.

Die Behauptung der VSETH hätte seinen Beitrag zur Stipendieninitiative fest versprochen ist falsch. Der Mitgliederrat des VSETH hat im Herbstsemester 2009 seine Unterstützung schon damals an die Überprüfung der Initiative durch den Vorstand gekoppelt. Dieser Beschluss wurde dem VSS auch so kommuniziert.

Der Artikel vergisst ausserdem darauf hinzuweisen, dass die Probleme im VSS von der Mehrheit der Sektionen erkannt wurden und schon seit längerer Zeit ohne inhaltliche Ergebnisse über Reformen diskutiert wird. Um die notwendigen Strukturreformen anzugehen, haben sich die anderen Sektionen zur Gründung einer Arbeitsgruppe entschieden, statt schnell zu handeln und die bekannten Probleme im Vorfeld der Lancierung der Initiative zu lösen. Wir halten es aber für fragwürdig, ein solch grosses Projekt wie die Stipendieninitiative anzugehen, ohne vorher die erkannten Probleme zu lösen. Das Finanzierungsmodell des VSS sieht bereits ein Stimmrecht vor, das proportional zu den Beiträgen ist. Das Problem liegt in den Sonderregelungen für zahlungsschwache Sektionen. Wir fordern, dass Sektionen, die selbst keinen finanziellen Beitrag leisten, nicht das Geld der anderen Sektionen ausgeben können. Ohne eigene finanzielle Beteiligung lässt sich sehr leicht Wohltäter spielen.

Für den VSETH, Nicholas Preyss