Renate Schubert am Arbeitsplatz. Simona Pfister

«Ich bin keine Klimamissionarin»

Schöpfen, Kochen, Abwaschen. Der Andrang ist gross und wer am Tresen schöpft, muss schnell sein. Unsere Reporterin gab ihr Bestes.

2. März 2010

Heute ist der Weg ans IED (Institute for Environmental Decisions) aber mühsam. Warum ist das Kopfsteinpflaster auch schon wieder so vereist! Ich angle mich die Geländer runter, um zur Tramstation zu kommen. Das ist der Nachteil an meiner Wohnung in der Altstadt, dafür liegt sie super. Ich brauche kein Auto bis zur ETH und der Hauptbahnhof ist auch zu Fuss erreichbar. Zum Pendeln zwischen Zürich und Fribourg, wo mein Mann arbeitet, ist der Zug wirklich praktisch.

In der klirrenden Kälte warte ich aufs Tram und schaue mir die Werbeplakate für Billigflüge an. Da stellen sich mir alle Nackenhaare auf! Doch im selben Moment wird mir klar, dass ja auch ich ab und an gerne von diesen Angeboten profitiere. Wenn ich nach Berlin muss, nehme ich lieber den Flieger. Denn meine Tochter ist erst elf, und ich lasse sie lieber nur für eine Nacht statt zwei alleine zu Hause. Mein Gewissen gegenüber der Umwelt beruhige ich dann wie viele Leute mit einem Kompensationsticket.

Eigentlich bräuchte es so etwas auch für eingeflogene Lebensmittel. Zumindest ein Label für die «CO2-Haltigkeit» von Nahrungsmitteln wäre dringend notwendig. Oder weiss der Mann, der neben mir ins Tram steigt, woher sein Maracuja-Papaya-Saft kommt? Ich versuche schon auf die Herkunft der Lebensmittel zu achten. Neulich haben uns die Leute im Coop angestarrt, als ich mit meinem Mann diskutierte. Er wollte Spargeln aus Peru kaufen – mitten im Winter! Da konnte ich nicht zuschauen. Doch ich möchte auch nicht ausser Acht lassen, dass der Spargel einem Bauern ein Einkommen bringt. Es ist eine schwierige ethische Entscheidung, ob man lieber klimaschonend einkauft oder einen Beitrag für ein armes Land des Südens leistet.

Wenn ich die vielen Autos aus dem Tram beobachte, frage ich mich schon, wie viele Leute sich überhaupt Gedanken über das Klima machen. Klar, ich bin auch nicht absolut konsequent.

Für die letzten Skiferien haben mein Mann und ich aus praktischen Gründen den Wagen genommen und mein Gatte kommt ohne das motorisierte Vierrad in Fribourg auch nicht aus.

Trotzdem, auch wenn ich keine Klimamissionarin bin, müsste man ja nicht jeden Morgen die Tochter mit dem Hummer zur Schule fahren, wie diese Familie in der Schule meiner Tochter. Wir in unserem Institut sind da eigentlich vorbildlich. Einen ganz neuen energieeffizienten Kühlschrank haben wir uns geleistet und der Kaffee ist auch immer Fair Trade. Oh, Mist, da fällt mir ein, dass ich den zu Hause vergessen habe. Na dann muss ich wohl aufs nächste Tram warten und nochmals die engen Gassen runterrutschen.