Die Besetzung des Audimax an der Uni Wien. sAgd/Flickr.com

«Hurra, die Uni brennt!»

Was mit Besetzungen an Österreichs Unis begann, hat sich zu einem europaweiten Studierendenprotest gegen Bildungsabbau und Bologna entwickelt. Auch in der Schweiz regt sich Widerstand.

25. November 2009

«Dieser Hörsaal ist befreit», tönte es erstmals Ende Oktober aus dem Audimax der Uni Wien. Hunderte Studierende besetzen die grösste Universität Österreichs, um gegen bildungspolitische Missstände und die Ökonomisierung der Lehre zu protestieren. «Die Spontanität von Spontis ist immer recht enden wollend», spöttelt Österreichs Wissenschaftsminister Johannes Hahn, als er vom Protest erfährt.

Inzwischen haben sich die Studierendenproteste jedoch auf ganz Europa ausgeweitet. Die Wiener Organisatoren sprechen von 50 besetzten Universitäten unter anderem in Österreich, Deutschland, England, Italien, Polen, Serbien und Albanien. Auch die Schweiz wurde von der Protestwelle erfasst. In Basel, Bern und in Zürich rollten Studierende ihre Schlafsäcke aus. «Wir sind mit anderen Unis international sehr stark vernetzt. Die Kommunikation funktioniert dabei über Facebook, E-Mail und Skype», erklärt Lisa, eine der Organisatorinnen der Proteste in Wien.

Zelebrierte Anarchie

Bemerkenswert an dieser länderübergreifenden Bewegung ist, dass sie weder von gewählten Studierendenvertretern noch von politischen Parteien getragen wird. Die Organisation folgt basisdemokratischen Prinzipien: «Nur was im Plenum abgestimmt wird und von den Studierenden eine Mehrheit erhält, ist offizielle Position», so Lisa, «der Ablauf der Plenarsitzungen wird von einer AG geplant, die nach aussen komplett offen ist, jeder kann dabei mitmachen.» Diese Offenheit der Protestbewegung wird auch von den übrigen Studierenden begrüsst: «Was ich richtig gut finde, ist die Organisation, die ohne Hierarchien funktioniert. Es gibt keine Wortführer oder ähnliches und die Moderation des Plenums wird von unterschiedlichen Leuten geführt», meint Lena, die in Wien Gender Studies studiert.

Die Forderungen der Besetzer variieren von Uni zu Uni. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Kritik am Bologna-System, dass den Protestierenden zufolge die Verschulung des Studiums fördert und zu sehr nach privatwirtschaftlichen Interessen ausgerichtet ist. Die Uni Zürich fordert konkret die Abschaffung der Anwesenheitspflicht bei Lehrveranstaltungen, das Stimmrecht aller betroffenen Stände im Unirat und einen Ausbau des Stipendiensystems. Ein Ende der Besetzung ist zumindest in Wien noch nicht in Sicht. Das liegt vor allem am Engagement der Studierenden, die ihre Rolle als Besetzer durchaus ernst nehmen: «Es wird wirklich ein Programm geboten, so gibt es Filmvorführungen, Vorträge und die Arbeit in den Arbeitsgruppen. Zudem werden Schlafplätze und die Verpflegung gut organisiert», erzählt Lena. Erste Erfolge konnte man auch schon erzielen. So stellte Minister Hahn den Universitäten in einer Art Beschwichtigungsgeste zusätzliche 34 Millionen Euro zur Verfügung und lädt Ende November zu einem österreichischen Hochschuldialog. Ob es in der Schweiz zu ähnlichen Entwicklungen kommen könnte, ist noch nicht absehbar. Mit der Kürzung von Stipendien und der möglichen Erhöhung der Studiengebühren ist aber auch für die Schweizer Studierenden genug Protestpotential vorhanden.