Machtspiele um die Besetzung eines Lehrstuhls am historischen Seminar. Corina Ernst

Der zerbrochene Stuhl

Am historischen Seminar geht es heiss her. Die Unileitung widmet gegen den Willen der Dozierenden einen bisherigen Lehrstuhl um. Wer steckt wirklich dahinter?

25. November 2009

Hans-Jörg Gilomen wird Ende nächsten Semesters emeritiert. Anstatt den Lehrstuhl neu zu besetzen, entschied sich die Unileitung zu einer Umwidmung. Aus dem Lehrstuhl «Geschichte des Mittelalters mit Berücksichtigung der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Spätmittelalters» wird einer der Neuzeit. Dies, obwohl sich alle Dozierenden in der Seminarkonferenz des historischen Seminars gegen die Umwidmung aussprachen.

Der Vorstand der Philosophischen Fakultät setzte daraufhin die Seminarkonferenz unter Druck. Der damalige Dekan Reinhard Fatke warnte, dass die Universitätsleitung den Lehrstuhl womöglich streiche, falls sich die Dozierenden nicht für eine Umwidmung entschieden. «Wir haben diesem Druck standgehalten und auf unserer Position beharrt», beteuert Philipp Sarasin, Seminarvorsteher des Historischen Seminars, «allerdings können wir gegen den Entscheid der Unileitung nichts unternehmen.»

Weshalb hat die Unileitung gegen die Meinung der Dozierenden entschieden? «Wir haben auf ausdrücklichen Wunsch des Fakultätsvorstandes hin entschieden», erzählt Ottfried Jarren, Prorektor der Geistes- und Sozialwissenschaften. «Das ist ja der Hammer!», ereifert sich Hans-Jörg Gilomen. «Dann hat der Fakultätsvorstand also gegen unseren Willen gehandelt.» Der Vorstand fürchtete wohl den Verlust eines Lehrstuhles. Doch Jarren wiegelt ab: «Die Streichung eines Lehrstuhls stand nie zur Debatte.»

Weshalb hat denn der Fakultätsvorstand so entschieden? Am besten dazu Auskunft geben könnte der Neuzeitprofessor Bernd Roeck. Der einzige Historiker in diesem Vorstand sprach sich auch als einziger in der Seminarkonferenz von Anfang an für eine Umwidmung aus. Nach mehreren telefonischen Anfragen liess er per Email verlauten, dass «diese Entscheidung damals ohne sein Zutun geschehen» sei, da er sich «als künftiger Dekan nach dem Gebot der Korrektheit aus diesem Geschäft» herausgehalten habe. Er könne dazu also nichts sagen.

Fehlende Wertschätzung

Der Fachverein Geschichte möchte nun aber Antworten. In einem Brief an die Universitätsleitung sprach er sein Bedauern über die Lehrstuhlumwidmung aus. Ausserdem forderte der Fachverein eine Stellungnahme der Unileitung und die Wiederbesetzung von Gilomens Lehrstuhl. Manuel Zürcher vom Fachverein macht sich nichts vor: «Wir werden die Unileitung nicht dazu bewegen, sich umzuentscheiden, aber es soll darüber diskutiert werden! Wir erhielten nie die Möglichkeit, uns dazu zu äussern.»

Die Leidtragenden seien die Studierenden. Ihnen werde einer der beliebtesten Lehrstühle des Mittelalters weg genommen. Die Universitätsleitung entgegnet, die Neuzeit werde von den Studierenden sehr viel stärker nachgefragt und deswegen müsse man diesen Bereich weiter ausbauen. Dies geschieht nun – auf Kosten des Mittelalters.

Die fehlende Wertschätzung des Mittelalters wird Gilomen schon bald in der «Vierteljahrsschrift für Wirtschaft und Sozialwissenschaft» – einer hoch angesehenen Publikationsreihe – kritisieren. Diese Kritik muss die Universität wohl oder übel hinnehmen.