Patrice Siegrist

Florian Frey, Vater

Im Hochschulraum Zürich gibt es mehrere Kinderkrippen. Jene am Irchel betreute zeitweise Kinder aus 18 verschiedenen Nationen.

14. September 2009

Florian Frey, 34, studiert im 12. Semester Ethnologie, Volkskunde und Publizistik. Die Pflichtveranstaltungen hat er hinter sich, vor ihm liegen noch drei Seminararbeiten und das Liz. Eigentlich kein Problem, er liegt gut in der Zeit, ein Lizthema hat er auch schon im Hinterstübli.

Seit zweieinhalb Monaten gibt es da jedoch ein Hindernis namens Malena Sukoya in seinem Leben. Natürlich haben ihre Bedürfnisse Priorität. Jetzt gerade schläft sie friedlich lächelnd. Florian gesteht: «Ich bin aber permanent am Anschlag.» Er schmeisst den kompletten Haushalt, arbeitet 50 Prozent im Schichtbetrieb bei der Online-Redaktion der Tagesschau und besucht nebenbei noch ein Projektseminar in der Volkskunde. Im Rahmen des Projektseminars dreht er in einer Dreier-Gruppe einen Film; dies erfordert einen zeitlichen Aufwand, welcher einiges über das «normale» Mass hinausgeht. «Eigentlich arbeitet er im Moment auch ohne Kind schon 150 Prozent», findet Karin, Malena Sukoyas Mutter. Sie ist noch im Mutterschaftsurlaub und rund um die Uhr für Malena da, die sich noch nicht an den Schoppen gewöhnen will. Sobald das geklappt habe, werde vieles einfacher, meint Florian. «Die Grosseltern stehen schon lange in den Startlöchern und warten nur darauf, endlich babysitten zu dürfen!»

Als Karin und Florian damit konfrontiert wurden, bald zu dritt zu sein, gab es einiges zu diskutieren: Wer arbeitet wieviel? Wie das Studium beenden? Jedoch überwog Zweckoptimismus; die Einstellung, das sollte alles zu meistern sein, hat bis heute angehalten. Florian wusste damals bereits, dass er im Winter an der Uni viel zu tun haben würde, danach könnte er kürzer treten und Karin wieder arbeiten gehen. Er ist froh, dass er keinen Job von 8 bis 18 Uhr hat: «So bleibt mir Zeit um zum Beispiel für Karin das Mittagessen zu kochen.» Andererseits sitzen ihm die Uni und zum Teil längst fällige Seminararbeiten halt ständig im Nacken. Obwohl die Limmat nur einen Steinwurf von der Wohnung der jungen Familie entfernt ist, verbringt Florian seine Abende oft am Schreibtisch, anstatt gemütlich am Fluss. Dennoch empfindet er sein Studentenleben als Vorteil: «Als Student bist du es dir schon gewohnt, flexibel zu sein und wenig Geld zur Verfügung zu haben.» Deshalb sei auch die Angst vor finanziellen Engpässen viel kleiner. Florian will das Studium sicher beenden – dabei können ihm Frau und Kind sogar helfen. Zur Abschlussarbeit in der Ethnologie gehören auch drei bis sechs Monate Feldforschung. Ein Kind ist ein toller Eisbrecher und gewährt Zugang zu fast allen Gesellschaften.

Aber das sind alles Zukunftsträume, jetzt muss Florian erst mal die drei Seminararbeiten schreiben. Das fällt ihm nicht leicht, immer wieder muss er sich neu einlesen, fertige Kapitel umschreiben oder sogar löschen. «Ich müsste eigentlich mal die Ellbogen einsetzen und mir drei Tage am Stück dafür Zeit nehmen», überlegt er. Da schlägt Malena die blauen Strahleaugen auf – und weg sind alle Gedanken an die Seminararbeiten.