Die kleinen Helfer im Uni-Stress

Was an der Tour de France die Pyräneen sind, sind für Studierende die Prüfungen. Wie manche Velofahrer greifen auch sie zu illegalen Mitteln.

14. September 2009

An der Universität Zürich wird vor und während den Prüfungsphasen alles konsumiert, was eine Leistungssteigerung verspricht. Von Gratis-Energy-Drinks und Traubenzucker, welche vor den Prüfungen verteilt werden, über rezeptpflichtiges Ritalin bis hin zu illegalen Drogen. Leistungsfähiger, produktiver, effizienter heisst die Devise. Dies ist längst kein Geheimnis mehr. Ob draus­sen beim Rauchen, während dem Kaffee in der Mensa oder in den Vorlesungssälen: Es wird offen über den Konsum und die Beschaffung der kleinen Helferchen gesprochen. «Cleane» Studierende, die mit offenen Augen und Ohren durch den Alltag gehen, merken schnell, dass ihr Umfeld sich durch Pülverchen und Pillen einen Vorteil erschleicht. Bald kommt auch der oder die in Versuchung, sich zu dopen, um so wieder auf Augenhöhe mit seinen Kommilitonen zu kommen. Dies führt zu einem Aufrüsten im akademischen Doping. Ähnlich einem Rüstungswettlauf. Denn wer ehrlich ist und nicht schnieft oder schluckt, verliert.

Zurück zur Chancengleicheit

Ist es ethisch überhaupt vertretbar, sich mit rezeptpflichtigen oder illegalen Medikamenten einen Vorteil gegenüber den Mitstudierenden zu verschaffen? Ist es einfach nur Betrug oder gibt es Situationen, in denen man es verstehen kann?

Nehmen wir an, dass Maximilian Sommer aus einer Familie kommt, welche nicht die finanziellen Mittel hat, ihren Sprössling durchs Studium zu füttern. Maximilian muss also neben dem Studium arbeiten, um sich sein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, Essen und Bücher zu finanzieren und um sich seinen Traum von einem Studienabschluss zu erfüllen. Da ihm das Bolognasystem immer mehr Freiheiten nimmt, wird ihm das massgeblich erschwert. Um nun in seiner wenigen Zeit möglichst effizient zu lernen, greift Maximilian zu Ritalin. Verschafft er sich so überhaupt einen Vorteil oder stellt er bloss die Chancengleichheit gegenüber seinen Kommilitonen, denen Mama und Papa das Studium finanzieren, her?

Die Suche nach den Gründen

Es ist wichtig, nicht einfach nur die Frage aufzuwerfen, ob es ethisch vertretbar ist, die eigene Leistung mit Ritalin und ähnlichem zu steigern oder nicht. Viel zentraler ist es, Gründe zu finden, wieso es überhaupt soweit kommt, dass Studierende zu diesen Mitteln greifen müssen. Denn der Konsum solcher Substanzen ist nicht mit dem von Partydrogen zu vergleichen. Nicht Glücksgefühle und eine gute Stimmung stehen im Mittelpunkt, sondern das alleinige Streben nach mehr Konzentration und Erfolg.

Das Studieren hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die steigende Anzahl Studierender, der Leistungsdruck und der Konkurrenzkampf sind Bestandteil vieler Studiengänge geworden. In diesem Umfeld erlauben einem die kleinen Helfer kurzfristig besser zu funktionieren und sind deshalb auch geduldet. Denn Produktivität, Effizienz, Leistungsfähigkeit und ein rasches Ende des Studiums stehen vermehrt im Mittelpunkt. Dies wird durch die Wunderpillen und -pulver gefördert oder gar erst ermöglicht.